Bestimmt schreitet Philippe Daniel Ledermann durch den Eingang seines Hotel-Restaurants Sternen. 2007 hatte er die Liegenschaft gekauft, diese renoviert und 2009 als «museales» Hotel-Restaurant eröffnet, gemeinsam mit seiner Frau Marina. Sie haben mit Liebe zum Detail die Räumlichkeiten mit vielerlei histo-
rischen Gegenständen und Antiquitäten ausgestattet. Sie belegen die Geschichte von Köniz und des «Sternens». 1639 erbaut, ist das Hotel-Restaurant einer der ältesten Landgasthöfe in der Region.
Philippe Daniel Ledermann ist allerdings kein Hotelier, und auch kein Gastronom, wenngleich er eine gute Küche und einen sympathischen Service sehr zu schätzen weiss. Vielmehr war der 72-Jährige Zahnarzt und Kieferchirurg – von Weltruf. Er erfand die «Ledermann-Schraube» und behandelte in seiner Praxis in Bern Patienten aus aller Herren Länder.
Immer wieder «Sternen»
Das Hotel-Restaurant Sternen spielte in seinem Leben immer wieder eine wichtige Rolle. So etwa als Student, als er in einer «schlagenden Studentenverbindung» im damaligen «Sternensaal» focht. Oder als er als Assistent in einer Zahnarztpraxis in Köniz arbeitete. Diese Lebensstationen beschreibt er allesamt in seiner vier Bände umfassenden Buchreihe «Die Papiereltern». Sie ist eigentlich ein autobiografischer Roman, der mit dem Band «Frühling» beginnt. In diesem schreibt Ledermann über seine wunderbaren Kinder- und Jugendjahre. Aber auch über den «psychischen Schock», als er als Kind während einer Probe für ein Schultheater erfährt, dass er «nur» ein Adoptivkind sei, also lediglich «Papiereltern» habe.
Dann folgen die «Sommerjahre». Darunter der Besuch des Gymnasiums nach einer abgebrochenen Mechaniker-Lehre. In diese Zeit rückt Köniz als Handlungsort in den Fokus. Ebenso das Waadtland, wo er ohne etwas zu ahnen, seinem leiblichen Vater begegnet und seine Mutter findet. Es sind Jahre, in denen Ledermann seine Wurzeln findet, sich ob der daraus gewonnenen Erkenntnisse aber im Sog eines liederlichen Lebenswandels zu verlieren droht – auch im «Sternensaal» zu Köniz.
In «Herbst» schreibt Philippe Daniel Ledermann dann über die Blüte seines Lebens. Wie er als Implantologe Weltruf erlangte. Diesem Ruhm folgen allerdings Neid und Missgunst auf dem Fuss; so wurden aus Kollegen Widersacher, die ihm das Leben schwer machen.
Roman ohne Dichtung
Die Buchreihe ist eigentlich zufällig entstanden. Da Ledermann seit jeher gerne schreibt, verarbeitete er die Erlebnisse aus der Kindheit in Form eines Tagesbuches und führte dieses weiter. Daraus entwickelte er schliesslich ein erstes Manuskript. «Kein Zweifel: ein wunderbar ergreifender, durch und durch wahrer Lebensstoff», lautet eine von vielen Reaktionen auf den Buchentwurf. Sie ermutigten ihn, diese Buchreihe zu veröffentlichen.
Mit dem im Dezember erschienenen Band «Winter» schliesst Ledermann seine Romanreihe. Aus dem Vater ist mittlerweile ein Grossvater geworden. Nicht ganz freiwillig verabschiedet er sich in den Ruhestand, der allerdings alles andere als ruhig ist: Betrüger, Verwesungsgeruch aus einer Wohnung und sogar ein Doppelmord auf offener Strasse sorgen für bleibende Erinnerungen. «Es ist alles wirklich so passiert, wie ich geschrieben habe», entgegnet Ledermann im «Sternen» die fragenden Blicke seines Gegenübers. Er habe absolut nichts erfunden oder hinzugedichtet, beteuert er.
Die Geschichte ist zu Ende erzählt, das Leben geht indes weiter. Auch für Philippe Daniel Ledermann und die «aufgehende Sonne», seine Gattin Marina. Mit Blick auf das bisher Erlebte scheint es aber lediglich eine Frage der Zeit zu sein, bis Ledermann mit seinen Schilderungen über neue Erlebnisse Leser wieder in seinen Bann schlägt, oder auch Zuhörer. So wie jene, die im «Sternen» den Worten des Buchautors lauschten und ihm ein wenig wehmütig nachblickten, als er auf dem Weg zum nächsten Termin im dichten Könizer Abendnebel entschwand.