Eine Frage der Gerechtigkeit

Eine Frage der Gerechtigkeit

Die Gemeinde ist knapp bei Kasse und muss trotzdem jährlich 5 Mio. Franken zahlen. Für den sogenannten innerkantonalen Finanz- und Lastenausgleich (FILAG) zugunsten der Zentren und deren Belastung. Doch Köniz ist selbst eine Zentrumsgemeinde mit Zentrumslasten, sagen nun Gemeinderat sowie die zehn Grossrätinnen und Grossräte der Gemeinde und wehren sich.

Und zwar gleich zweispurig. Während Gemeindepräsidentin Tanja Bauer (SP) mit ihren Kollegen aus dem Gemeinderat ein Vernehmlassungsverfahren bei der Staatskanzlei eingereicht hat, lancieren die Grossräte im kantonalen Parlament eine Motion. Beide Wege fordern ein und dasselbe: dass die Zentrumslasten von Köniz angemessen abgegolten werden.

Die Frage nach der Fairness

Köniz ist die einzige der grössten Berner Gemeinden, welche keine Abgeltung erhält, sehr wohl aber einzahlen muss. Mit rund 44’000 Einwohnenden ist Köniz nach Bern, Biel und Thun die viertgrösste Gemeinde des Kantons. Thun mit fast gleichviel Einwohnerinnen, Burgdorf und Langenthal mit weitaus weniger Einwohnenden erhalten im Gegensatz zu Köniz einen Lastenausgleich. Da stellt sich die Frage nach der Fairness des Systems.

Die Frage der Berechnung

Doch Gemeinderat und Grossräte reklamieren nicht, sondern begründen vielmehr. «Die geltende Systematik der Berechnung der Zentrumslasten wird Köniz nicht gerecht. Dies deshalb, weil von den Zentrumslasten der Zentrumsnutzen subtrahiert wird und bei der herkömmlichen Betrachtungsweise davon auszugehen ist, dass die Nähe zu Bern und damit einhergehend der Zentrumsnutzen die Zentrumslasten kompensiert. Diese Berechnungsart, die unter anderen Voraussetzungen vor einem Vierteljahrhundert geschaffen wurde, entspricht im Fall Köniz also nicht mehr den heutigen Gegebenheiten», schreiben die Motionäre. «Es ist unklar, aufgrund welcher Kriterien eine Gemeinde eine Abgeltung ihrer Zentrumslasten erhält», schreibt der Gemeinderat. Nach 25 Jahren sei es an der Zeit, das Gesetz über den Finanz- und Lastenausgleich (FILAG) neu zu überarbeiten und fairer zu gestalten, sind sich die Könizer Politiker einig.

Die Frage der Entwicklung

Und der Gemeinderat hat denn auch bereits Vorschläge zu Umsetzungsvarianten gemacht. Im Grundsatz gehe es darum, die Entwicklungen der letzten 25 Jahre miteinzubeziehen. Mit 13,4 % hat Köniz das zweitgrösste Wachstum aller Städte und besitzt zudem erhebliche Bauzonenreserven für die zukünftige Entwicklung. Die Gemeinde stellt 22’000 Arbeitsplätze, ist eine ÖV-Knotenpunkt, ein bedeutender Kulturort, hat Vereine und Sportmöglichkeiten auf internationalem Niveau und übertrifft mit 250 Mio. Franken Umsatz die Anforderungen des FILAG bei Weitem. Köniz ist eine Zukunftsgemeinde und entspricht dem Idealbild einer Gemeinde, wie sie im Fusionsgesetz angestrebt wird: mit bevölkerungsreichen Zentren, verstreuten kleineren Dörfern und Weilern, aber damit verbunden eben auch erhöhten Kosten.

Die Frage der Bezeichnung

Soweit dürfte es einleuchtend sein, dass Köniz grundsätzlich vom Lastenausgleich profitieren soll. Das Problem liegt aber im Sonderfall der Gemeinde: sie ist keine Stadt im klassischen Sinn, ist aber auch keine klassische Agglomerationsgemeinde, die von den Leistungen der Kernstadt profitiert, ohne selbst mit Zentrumslasten konfrontiert zu sein. Der Regierungsrat stuft die Städte ein. Bern als Zentrum nationaler Bedeutung, Biel und Thun als kantonale Zentren, Langenthal und Burgdorf als regionale Zentren.Wo wäre Köniz anzusiedeln? 2016 hat der Regierugsrat zuletzt evaluiert und festgehalten, dass abgeltungsberechtigt ist, wer einen Umsatz von über 100 Mio. Franken in der Jahresrechnung hat, grössere kulturelle Zentren habe sowie eine entsprechende Bevölkerungszahl. So gesehen hat Köniz sehr wohl intakte Chancen.

Erfolgsaussichten

Doch es ist Gegenwind zu erwarten. Im Vergleich zu anderen Kantonen hat Bern den Lastenausgleich schon heute weiter gefasst. Der Regierungsrat wird aber erst nach Ablauf der Vernehmlassungsphase (bis Ende November) eine  erste Stellungnahme abgeben. Es ist aber davon auszugehen, dass die Vernehmlassung bis zum März 2024 verlängert werden könnte. Der Kampf um die FILAG-Gelder ist lanciert, damit wohl auch die Debatte im Grossen Rat. Gut gerüstet ist Köniz aber auf alle Fälle. Denn die Motionäre Katja Streiff (EVP), Philip Kohli (die Mitte), Jan Remund (Grüne), Luc Mentha (SP), Casimir von Arx (GLP), Reto Zbinden (SVP), Hans Peter Kohler (FDP), Thomas Brönnimann (GLP) und Tanja Bauer (SP), bilden eine parteiübergreifende Allianz von Grün bis SVP. Das ist ein starkes Zeichen. Die Könizer Grossrätinnen und Grossräte müssen nun in ihren Parteireihen weibeln, um die Gunst des Könizer Anliegens so breit abzustützen, dass eine Mehrheit entsteht. Ein wenig Symbolcharakter hat dieses Bild. Zum einen standen zuletzt alle Parteien zusammen als es darum ging, den budgetlosen Zustand abzuwenden: mit durchschlagendem Erfolg. Nun stehen sie wieder zusammen, um den Lastenausgleich zu verbessern. An der Spitze sind mit Katja Streiff und Tanja Bauer zwei junge Frauen, welche die Zukunftsgemeinde Köniz geradezu verkörpern. Wieviel Wert diese Symbolik hat, bleibt abzuwarten. Den Regierungsrat dürfte es wenig beeindrucken, wenn man versucht im Könizer Brief zur Vernehmlassung an den Staatsschreiber zwischen den Zeilen zu lesen. Deshalb wird die Forderung von Köniz, dass die Zentrumslasten von Köniz angemessen abgegolten werden, am Schluss eine Frage der Gerechtigkeit.

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