Bei genauerem Hinsehen war es kein Zufall: Denn die Vorbereitung dafür lief bereits Jahre zuvor, mal geplanter, mal zufälliger.
In den Sommerferien gearbeitet
Sein Wissen rund um Getreide verdankt Kauer teilweise seinem Vater. Dieser ist eigentlich Bauer – arbeitete jedoch während kurzer Zeit in der Mühle Rytz in Biberen. Kauer Junior begleitete ihn, aus dem kurzen Besuch wurde ein Sommer-Aushilfsjob, den er bis ins neunte Schuljahr ausübte. «Lern doch Müller», war ein Satz, der oft fiel, doch Kauer winkte ab. Was folgte, waren Schnuppertage als Landmaschinen-Mech oder als Landschaftsgärtner und Tage der Job-Reflektion. Am Schluss gefiel ihm die Welt des Getreides dennoch am besten. Die Ausbildung machte Kauer wiederum bei Rytz und dort feierte er im Sommer 2021 seinen Abschluss. Auch die Berufsschule im
St. Gallischen Flawil sei besonders gewesen – der Unterricht fand blockweise statt. «Du schläfst und lernst dort und bist die ganze Woche zusammen.» Die Schule dauerte jeweils bis vier Uhr nachmittags, am Abend sei man etwa zusammen essen gegangen, erinnert sich Kauer mit wiedererwachender Begeisterung.
Kompetent von Anfang an
Ein weiterer Glücksfall war die Anstellung bei der Landi in Laupen. Dort mahlt er zwar nicht mehr so viel, übernahm aber neue Aufgaben. Kauer ist mittlerweile Silochef, hat eine Aushilfe und ist für die Verteilung des Getreides in das richtige Silo verantwortlich. Diese sind unterschiedlich gross, das kleinste fasst 11, das grösste bis zu 300 Tonnen. Bei der Annahme überwacht Kauer etwa Feuchtigkeitswerte oder prüft auf eventuellen Pilzbefall: Denn sind Keime einmal drin, sind sie dort nur noch mit viel Aufwand wegzubringen. Mit Bauern, die schon bei der Einfahrt sagen, dass Kauer nicht zu messen brauche, müsse er dann schon ein bisschen «stürmen». «Die ganzen Prozesse sind extrem abwechslungsreich», sagt Kauer. Für den Job sollte man zudem Freude am Getreide mitbringen und körperlich fit sein: Im Sommer arbeitet das Team bis zu 20 Stunden pro Tag sowie an den Wochenenden. Und das Heben der Getreidesäcke bedingt Muskelkraft. Ferien könne er in dieser Zeit nicht wirklich nehmen, dies hole er im Herbst nach. Und wie wirkt Kauer bei der Arbeit? Arbeitskollege Bernhard Marschall braucht bei dieser Frage nicht lange nachzudenken: «Alain packt Aufgaben nicht nach einem starren Muster an, ist fachkompetent und hört auf Ratschläge.» Kauer sei zudem bei Hektik sehr ruhig und ausserdem gut ausgebildet – beides erleichtere die Zusammenarbeit enorm.
Konstant auf den Job hingearbeitet
Bei einer solchen Bilderbuchkarriere mögen Skeptiker einwenden, Kauer habe seinen Weg nicht geplant und einfach Glück gehabt, der Job sei eine Folge von guten Start- und Rahmenbedingungen. Das mag zwar stimmen, doch ohne Einsatz des Müllers wäre dieser heute nicht dort, wo er jetzt ist. In den Sommerferien arbeitete er in der Mühle. Auch bei seinem Grossvater, der eine Garage betrieb, half Kauer regelmässig aus. Dank seinen Arbeitseinsätzen konnte er in der Entscheidungsphase den richtigen Beruf für sich wählen. Die Note von 5,3 in der Berufsschule zeugt von Lernwillen und Disziplin. So gesehen arbeitete Kauer zwar nicht auf ein konkretes Berufsziel hin, schuf aber mit richtigen Vorbereitungen über Jahre hinweg bereits Vorbedingungen, die ans Ziel führten, auch wenn er nicht wusste, wo dieses genau lag. Gerade für die Berufswahl zeigt das Beispiel Kauers, dass ein Berufswunsch nicht von Anfang an feststehen muss. Doch wer vor der Lehre bereits schnuppert, Jobs annimmt und damit lernt, herauszuspüren, was er will, geht mit einem guten Rucksack in die Berufswahlphase. So erhöhen sich die Chancen, im richtigen Job zu landen und damit Bestleistungen abrufen zu können.
Stillstand und Ideenlosigkeit vermeiden
Für die Zukunft kann sich Kauer vorstellen, die Weiterbildung an der SMS zum Obermüller zu absolvieren. «Dann könnte ich eine Mehlmühle leiten», sagt er freudestrahlend. «Mit dem Weizen kannst du verschiedene Mehle wie Halbweiss, Weiss oder ‹Ruuch› herstellen – mich fasziniert das.» Zudem reize es ihn, Verantwortung für ein Team zu übernehmen. Falls möglich, will Kauer während ein paar Monaten in australischen Getreidemühlen arbeiten. «Die Mühlen dort sind modern und gross, zudem stammen sie fast ausschliesslich aus Schweizer Produktion», sagt der Fachmann.