Thun, Interlaken, Grosse und Kleine Scheidegg, Grindelwald, Mürren – was sich liest wie das Tourismus-Einmaleins des Berner Oberlands ist einmal im Jahr die herausfordernde Strecke des bekanntesten Schweizer Triathlons. Gut 150 Kilometer über Stock und Stein, durchs Wasser, auf der Strasse und auf Bergwegen hält der Inferno Triathlon für die zahlreichen wagemutigen Sportlerinnen und Sportler bereit. Wer in Mürren eintrifft, hat neben müden Beinen und Muskelkater auch das euphorische Gefühl, etwas Grossartiges geschafft zu haben.
Den Zieleinlauf besonders genossen und gefeiert haben dieses Jahr vier Frauen aus der Region Köniz. Cathrine Liechti, Alina Kaiser, Bettina Hobi und Rebecca Bächtold arbeiten alle als Pflegefachfrauen im Berner Kinderspital. Für sie hatte der «Inferno Triathlon» eine ganz besondere Bedeutung. Zwischen Januar und August bereiteten sie sich nicht nur mit zahlreichen Trainings auf das Sportereignis vor, sondern sammelten gleichzeitig mit grossem Engagement Spenden für das erste Kinderhospiz der Schweiz. Knapp 30’000 Franken sind dabei zusammengekommen, mehr, als sich die vier «KiSpi PoWer NurSes» – so der Teamname – erträumt hatten. Mit ihrem Einsatz wollen Liechti und ihre Arbeitskolleginnen auf ein schwieriges Thema aufmerksam machen: Palliativpflege für Mädchen und Jungen, die unheilbar krank sind. Im Kinderspital werde behandelt, so gut wie möglich. Wenn eine Behandlung im Spital nicht mehr möglich ist, stehen die betroffenen Familien oft allein und überfordert da. «Die Kinderspitex macht viel, aber es fehlt rundum an Unterstützung für Kinder mit einer lebenslimitierenden Erkrankung», so Cathrine Liechti. Unheilbar Kranke sollten nicht unnötige Wochen im Spital verbringen, ist die Pflegefachfrau überzeugt. Die Organisation einer Anschlusslösung, wie etwa die Pflege Zuhause bei der Familie, werde oft «zwischen Stuhl und Bank» erledigt. Doch bei schwer chronisch kranken Kindern seien Eltern und Geschwister oft überlastet, die Rundumbetreuung bringe alle an ihre Grenzen.
Mädchen, Jungen und ihren Familien einen bunten, lebhaften Lebensabschluss zu ermöglichen, liegt der Könizerin am Herzen. Denn obwohl es ums Sterben geht: «Kinderpalliativpflege ist sehr viel Leben», erzählt Liechti mit warmem Lächeln. Aus ihrem Alltag sind die Pflegefachfrauen Cathrine Liechti, Bettina Hobi, Alina Kaiser und Rebecca Bächtold mit schweren Krankheitsverläufen bei kleinen Patienten vertraut. Eine schwierige Arbeit mit viel schönen Momenten, wie Liechti erzählt: «Kinder sind oft stärker als Erwachsene, sie tragen eine schöne Leichtigkeit in sich und nehmen Sachen anders wahr als wir.» Dieses Leben im Moment sollte bis zum Schluss möglich sein. Umso ernüchternder ist der Blick auf die bestehenden Angebote. In der Schweiz ist Palliativpflege für Kinder ein blinder Fleck, weder in der Politik noch in der Gesellschaft präsent. Klar, niemand spricht gerne über schwerkranken und sterbenden Nachwuchs. Aber die Erfahrung während der Spendenaktion zeige, wie wertvoll es sei mit Menschen über das Thema zu sprechen. Ausnahmslos positiv waren die Reaktionen auf ihre Aktion, berichtet die letztjährige Parlamentspräsidentin. Die Pflegedienstleitung und das Team im Spital, Familien und Bekannte haben die «KiSpi PoWer NurSes» enorm unterstützt. Auch einige kleinere Firmen haben gespendet. André Glauser, Geschäftsführer des «allani Kinderhospiz Bern» ist überwältigt: «Die Initiative und der Einsatz der vier Pflegefachfrauen für unser Projekt sind bewundernswert. Solche Geschichten fluten das Herz.»
Mit diesem breiten Support war die Motivation am Stichtag bei den Triathletinnen gegeben. Nach intensiver Vorbereitung und unzähligen Trainingsstunden fiel am 21. August bei schönstem Wetter der Startschuss. Alles klappte wie am Schnürchen, die Anfeuerungsrufe der zahlreichen Menschen am Streckenrand spornten das Team an, alles zu geben. In Mürren dann der grosse Moment. Gemeinsam mit Läuferin Rebecca Bächtold, die auf der letzten Etappe mit der Hitze kämpfte, liefen die vier Pflegefachfrauen ins Ziel. «Es war unglaublich schön, manchmal können wir es immer noch nicht glauben», strahlt Liechti. Der Weg zum Ziel, das «allani Kinderhospiz Bern» Anfang 2023 zu eröffnen ist noch weit. Der Gang durch die Behörden zeichne sich langwieriger ab, da ein Kinderhospiz weder in nationaler noch kantonaler Gesetzgebung klar abgebildet sei, so André Glauser. «Das hindert uns indes nicht, unseren Weg konsequent weiterzugehen», so der Geschäftsführer. Die Spendenaktion am «Inferno» ist auf dem Weg für anerkannte und lebensfrohe Kinderpalliativpflege gewiss ein Meilenstein für die Powerfrauen und den Verein allani.