Ist der aktuelle Zustand exotisch, bei dem die Gemeindebetriebe vollständig in die Prozesse der Gemeindeverwaltung integriert sind? Oder ist es die nun beschlossene Ausgliederung, obschon die meisten anderen Städte und Gemeinden die Ausgliederung von Wasser und Elektrizität längst vollzogen haben?
Die Gebühren
Dieser Ansicht war Ruedi Lüthi von der SP. Denn im Gegensatz zu den anderen Gemeinden, sei in Köniz die Elektrizität nicht eingeschlossen. «Da sind wir wirklich Exoten, nicht nur weil wir keine eigene Energieversorgung haben, sondern weil viele Beispiele einer solchen Ausgliederung das Abwasser nicht enthalten, wie das in Köniz geplant wäre», regt sich der routinierte Politiker fast ein wenig auf. Kein Wunder, denn er befürchtet damit steigende Kosten für die Gebühren.
Erhöhungen erwartet auch die SVP. «Wir sind zwar ein Exot mit dem jetzigen System, aber ein sinnvoller, denn wir haben tiefe Gebühren», meint Florian Moser. Er befürchtet eine Gebührenerhöhung bei einer Ausgliederung, weil die Motion forderte, die Wärmeversorgung miteinzubeziehen. «Da kommt es zu Quersubventionierungen und das zieht Erhöhungen mit sich. Denn die Konkurrenz ist gross und es würde viel Geld kosten, um da mitzuhalten», schliesst er sein Votum.
Dem widerspricht der zuständige Gemeinderat Hansueli Pestalozzi: «Die Wasser- und Abwassergebühren dürfen nicht für andere Zwecke verwendet werden. Das ist heute schon verboten und gilt auch für einen ausgegliederten Gemeindebetrieb. Der Kanton und der Preisüberwacher kontrollieren, dass es keine Querfinanzierung gibt.»
Die Wärmeversorgung
«Der Einstieg in die Wärmeversorgung kann mittels Kooperationen erfolgen», fährt Pestalozzi fort. Der ungefähre Wert der neuen öffentlich-rechtlichen Anstalt entspreche zirka 200 Mio. Franken. Mit dieser Ausgangslage hätte der neue Betrieb die Möglichkeit, Fremdkapital aufzunehmen, um sich damit an Könizer Wärmeverbünden zu beteiligen. Voraussetzung sei, dass diese wirtschaftlich sind. «Effektiv kostet die Ausgliederung selbst die Bevölkerung kein Geld, das haben wir vorgängig eingehend überprüft», ergänzt der Grüne und Direktionsvorsteher auf Nachfrage. Die Wärmeversorgung sei ein wichtiger Teil des Geschäfts, betont Andreas Lanz (die Mitte) eingangs der Debatte als Motionär. Er ist so etwas wie der Experte in Sachen Ausgliederung, denn er setzt sich seit Jahren dafür ein. «Die Synergien sind offensichtlich, denn alte Wasserleitungen können gleichzeitig mit dem Legen von Wärmeleitungen saniert werden», nennt er ein Beispiel.
Die Folgen
Lanz legt zudem dar, dass Gebührenerhöhungen mit diesem Schritt eher vermieden werden können. «Riskant wäre der Ist-Zustand. Eine Verselbstständigung macht die Betriebe effektiver und effizienter, womit das Risiko einer Erhöhung reduziert wird. Die Ausgliederung ist eine wirtschaftliche Notwendigkeit», zielt er auf die anstehenden Sanierungen ab. Damit man aber so etwas Wichtiges wie sauberes Trinkwasser nicht an Private übergibt, lobt die Grüne Iris Widmer, dass die Ausgliederung in einen gemeindeeigenen Betrieb erfolgen soll. Die Mitte Fraktion, die Grünen und die FDP brachten genügend Stimmen auf, um dem Vorhaben eine Mehrheit zu verschaffen. Mit 22 zu 16 Stimmen sprach das Parlament die Motion als erheblich aus. Das bedeutet, dass der Gemeinderat nun den Prozess zur Ausgliederung starten wird. Die selbstständige Gemeindeunternehmung könnte voraussichtlich per 2024 operativ tätig werden. Zwei Hürden gibt es zuvor noch zu meistern. Das Parlament muss den entsprechenden Reglementen zustimmen und die Könizer Stimmberechtigten müssen Ja zur geplanten Ausgliederung sagen.
Pestalozzi befürwortet diesen Entscheid, obwohl er damit einen Teil seiner Direktion verliert und die Auswirkungen noch offen sind. Eine erste Änderung ist aber bereits erfolgt. Die Grünpflege von Köniz soll neu in Form einer eigenen Gemeindegärtnerei seiner Direktion angegliedert werden. Die geschätzten Einsparungen von jährlich 240’000 Franken sind die lohnende Folge davon. Der Weg ist nun klar. Die Frage wie exotisch dieser nun ist, scheint aber nach wie vor Ansichtssache zu bleiben.
Sacha Jacqueroud