Früher war nicht bloss alles nur schlecht…

Früher war nicht bloss alles nur schlecht…

Ich höre es schon: «Jetzt kommt auch noch Fossil Bornhauser mit einer untauglichen Analyse, die längst Geschichte ist…» Grad äxtra. Es sei erlaubt, einige Gedanken über die heutige Berufswelt zu Papier zu bringen, samt ihren administrativen Auswüchsen, welche die Ausübung des eigentlichen Berufs mehr und mehr einschränken und zum Beispiel dazu führen, dass das Pflegepersonal vermehrt am PC sitzt, derweil die zu Betreuenden zu kurz kommen.

Man mag nicht einmal mehr lachen, wenn man den Bericht der «Berner Zeitung BZ» über den bürokratischen Leerlauf auf den Bauernhöfen liest. Da bleibt nur noch ungläubiges Kopfschütteln übrig. Man stelle sich vor: Der Kontrolleur des Bundesamts für Landwirtschaft (BLW) musste auf einem einzigen Bauernhof schon einmal 1373 Kontrollpunkte überprüfen.

Behörden kontrollieren!
Das BLW rechtfertigt sich damit, «dass in Anbetracht der öffentlichen Gelder, die in die Landwirtschaft fliessen, eine gewisse Kontrolle notwendig ist». Und stellt in Aussicht, dass «Vereinfachungen in Prüfung sind». Vermutlich werden dazu mehrere Arbeitsgruppen gebildet, die sich zum Schluss gegenseitig neutralisieren. Und, apropos Kontrolle bei den Bauern: Wie wäre es, die Landwirte würden sich ihrerseits zu einer Interessengemeinschaft zusammenschliessen, und den Beamten auf die Finger schauen, die ihr Gehalt ja auch von öffentlichen Geldern beziehen, nämlich von unseren Steuergeldern?

Der «BZ»-Bericht über die Bauern ist nur die Spitze des Eisberges. Wer unter Ihnen – liebe Lesende – kann behaupten, dass die Arbeit in den letzten zehn Jahren einfacher, effizienter geworden ist? Überall die gleiche Platte, man kennt A- und B-Seite, Text und Melodie: Der administrative Aufwand hat zugenommen, der Leerlauf von Arbeitsgruppen ebenso, dafür werden mehr und mehr Prozesse «implementiert», die es konsequent (oder kopflos stur?) zu befolgen gilt und jede Eigeninitiative im Keim ersticken. Erstaunt, dass viele junge Leute nur noch «9 to 5» arbeiten?

Leninistische Züge…
Wladimir Iljitsch Lenin hätte vermutlich seine Freude über die Spezialisten im Controlling, gilt er doch als Vater der Feststellung «Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser». Die heutigen Prozesse führen nämlich vielfach zu einem Overkill an Kontrollen. Fast könnte man meinen, in unseren (vor allem) grossen Unternehmen herrsche ein Klima des Misstrauens. Plötzlich müssen Kaderleute, die vor vielen Jahren Verträge in sechsstelliger Höhe im Alleingang abschliessen konnten – und dafür vollumfänglich verantwortlich waren –, für einen vierstelligen Betrag eine Zweitunterschrift einholen. Das ist insofern praktisch, als dass der Zweitunterschreiber mitverantwortlich zeichnet, im wahrsten Sinne des Wortes. Womit wir bei einem anderen Phänomen angelangt wären: Dem Abschieben der Verantwortung. In manchen Betrieben werden Ideen zu Tode geredet, nicht zuletzt deshalb, weil zu viele mitreden, um dann nicht zu entscheiden. Niki Lauda hat dazu nach einem strategischen Fehlentscheid während des GP von Monaco 2015 über das eigene (!) Team Tacheles gesprochen: «Alle wollen sie mitreden – und keiner fällt schliesslich den Entscheid und übernimmt die Verantwortung, deshalb kam es zu diesem Desaster.» Klare Worte.

Keine Ahnung der Firmenkultur
Ich wage einmal den Versuch einer möglichen Erklärung, weshalb wir – Sie! Ich bin ja pensioniert… – mehr und mehr von Apparatschiks und Regeln im beruflichen Alltag begleitet werden, allerdings mit der Möglichkeit, dass ich… falsch liege. Viele Hochschulabgänger und Studierende haben während ihrer Ausbildungszeit alle sehr viel Intelligentes über Betriebswirtschaft gelernt, alle das Gleiche. Und mit diesem «Gleichen» gehen sie in die Unternehmen, mit dem Resultat, dass die Firmen sich immer mehr «gleichen». Firmenkultur? Hat man während des Studiums nicht gelernt. Firmengeschichte auch nicht. Anliegen der Basis? Was ist denn das Neues? Und statt sich bei einer ersten (!) Arbeitgeberin erst einmal stillzuhalten (aber dafür werden sie ja nicht bezahlt), bringen sie sich ein, samt der Gefahr, dass sie einen Scherbenhaufen produzieren. Aber nach ihnen die Sintflut. Erinnern Sie sich noch an eine Schweizer Schoggimarke mit neuen, visionären Verpackungen? Das meine ich. Und ich frage mich: Wo bleiben jene Kaderleute, die sich gegen Leerlauf zur Wehr setzen, lautstark? Oder haben sie etwa Angst, an ihrer Karriereleiter zu sägen? Schöne Führer, das.

Und irgendwie typisch: Einem Studenten habe ich vor ein paar Jahren über die Schulter geschaut, als es um Marketing ging. Genauer: um ein Beispiel aus der Lebensmittelbranche (mir nicht ganz unbekannt). Ich sagte ihm, dass es völliger Quatsch sei, was er lernen müsse. Anhand eines konkreten Beispiels konnte ich es ihm beweisen. Sein Kommentar: «Und jetzt? Soll ich unserem Dozenten sagen, du hättest mir bewiesen, dass der Lernstoff Quatsch ist?»

Willkommen in der heutigen Berufswelt.

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