Mit einer Körpergrösse von 202 cm zählt Schwander zu den grössten Schwingern unter den aktuell 732 Aktivschwingern der Schweiz. «Ich bin nicht sicher, ob ich der grösste Schwinger bin. Sicher ist es so, dass es noch ähnlich grosse Schwinger gibt, wie beispielsweise der Habstetter Walther Adrian mit 200 cm, wo wir uns geradeaus in die Augen schauen können», betont Schwander mit verschmitztem Lächeln.
Im Vergleich zum Gros der Schwinger hatte Schwander einen speziellen Zugang zum Schwingsport. «Als 5-Jähriger wollte ich ins Schwingtraining, was damals jedoch erst im Alter von 8 Jahren möglich war. So absolvierte ich ein spielerisches Kinderringen im Ringclub Belp. Dadurch hatte ich pro Woche bereits zwei bis drei Trainings. In der 9. Klasse bin ich sehr stark gewachsen, was zu körperlichen Beschwerden in den Knien und im Rücken führte, so dass ich mit Ringen aufhörte», erklärt der heute 27-jährige Sennenschwinger.
Schwingen im Welschland
Schwander absolvierte die Kochlehre im Restaurant Sternen in Guggisberg. In der Gastronomie lassen jedoch die Arbeitszeiten ein zeitintensives Engagement in einem Verein nicht zu, schon gar nicht an Wochenenden. Somit war auch mit Schwingen nichts. Mit 18 Jahren begann der Riggisberger in Villeneuve (VD) die Metzgerlehre. «Ich brauchte soziale Kontakte und suchte Anschluss. Deshalb schloss ich mich dem Schwingklub Lausanne an. Da fiel der Entscheid zum Schwingsport, den ich mit all seinen Facetten ausüben wollte und bereit war, dem Leistungssport alles unterzuordnen.» Schwander machte grosse Fortschritte, sowohl in der Leistungssteigerung wie auch mental. Nicht ohne Folgen: Im Alter von 21 Jahren gewann er am «Fête cantonal Vaudoise» 2016 seinen ersten Kranz.
Sprungbrett RS Magglingen
Seine grösste Entwicklung realisierte Schwander während der Rekrutenschule in Magglingen, wo er am Morgen einen Teilbereich in der Küche absolvierte und am Nachmittag mit den Athleten trainieren konnte. «Das war das eigentliche Sprungbrett für mich. Ich konnte nahezu ein halbes Jahr auf Top-Niveau trainieren, woraus mein grösster Entwicklungsschub erfolgte.»
Dann kam eine Zeit geprägt von Verletzungen. Im Jahr 2017 konnte Schwander aufgrund einer Knieverletzung überhaupt nicht schwingen. «Das hat mich ein Jahr zurückgeworfen, war aber ausschlaggebend, dass ich in ein neues Trainingsumfeld gekommen bin, in dem ich bis heute trainiere. Mein Physiotherapeut Tom Burri hat mich nach der Verletzung mit einem Neuaufbau wieder für das Schwingtraining fit gemacht. Seither trainiere ich mit ihm zwei- bis dreimal pro Woche.»
Und wie steht es mit Schwinger-Vorbildern? «Eine prägende Figur war sicher mein Grossvater Fritz, nicht nur bezogen auf den Schwingsport. Er war ein sehr guter Schwinger, 4-facher Eidgenössischer Kranzschwinger. Er hat mich als Kind viel an die Schwingfeste mitgenommen. Weiter habe ich von manchem Spitzenschwinger gute Tipps und Unterstützung erhalten. Zwei, die für mich sicher prägend waren, sind Brügger Roger und Maurer Reto, die mir, mit ähnlicher Positur wie ich, ihre Schwingweise nähergebracht haben.» Grösster Förderer ist zweifelsohne sein Vater Martin. Er hat früher ebenfalls geschwungen, musste aber aufgrund von Knieverletzungen früh aufhören. Immerhin konnte er doch einige Kränze gewinnen. «Mein Vater ist mir ein sehr treuer Begleiter, der mich in meinen Vorhaben immer unterstützt hat und mir im Metzgereibetrieb die Möglichkeit lässt, den Sport auszuüben. Dazu gehört natürlich auch die ganze Familie, die Mitarbeitenden, die Sponsoren und Trainer, die mir diesen Sport überhaupt ermöglichen, so wie ich ihn betreibe.
Severin Schwander hat zwei Geschwister. Die zwei Jahre ältere Schwester Vanessa und der 11 Jahre jüngere Bruder Didier, der ebenfalls schwingt. «Zu beiden habe ich ein sehr gutes Verhältnis. Bei Didier ist es speziell, da ich ihn als grosser Bruder über seine ganze Kindheit hinweg begleiten konnte und dadurch für ihn eine gewisse Vorbildfunktion habe. Wir haben ein enges Verhältnis und unternehmen viel zusammen.»
«Als ich früher mal in Schwingkreisen kundtat, dass ich mich für ein Eidgenössisches Schwingfest qualifizieren möchte, erntete ich viel Gelächter und spöttische Bemerkungen.Das hat mich gewurmt. Positiv prägend war der Rat von David Roschi, Schwingerkönig 1972 in La Chaux-de-Fonds, der mir mal sagte: ‹Wenn du Schwingen willst, musst du richtig schwingen und alles reingeben, dann wird mal etwas aus dir›. Diesen Satz habe ich geradezu verinnerlicht. Es hat mir gezeigt, dass ich für grosse Erfolge grössere Träume haben muss. Wenn ich das gesteckte Ziel mit viel Trainingsfleiss, Schweiss und Entbehrungen erreicht habe, erfüllt es mich umso mehr mit grosser Genugtuung.»
Exzellenter Koch
Kochen ist eine grosse Leidenschaft des Schwingers. «Ich bin ein Genussmensch und koche sehr gerne.Da darf auch ein gutes Stück Fleisch nicht fehlen. Nur komme ich in letzter Zeit immer weniger dazu.» Ganz beiläufig erwähnt er, dass er, im Team, Europameister der jungen Fleischfachleute in Paris 2018 geworden ist. Zurzeit ist Severin Schwander an den Diplomarbeiten zur Eidgenössischen Meisterprüfung als Metzgermeister, die im August mit den mündlichen und schriftlichen Prüfungen ihren Abschluss finden. Auch beruflich hat sich der sympathische Riggisberger hohe Ziele gesteckt.
Für das Jahr 2023 möchte er nochmals einen Schritt näher an die Spitze machen und möglichst viele Spitzenplätze erreichen.
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