Glücksmomente mit den Gästen

Glücksmomente mit den Gästen

Ende des letzten Jahres war es für Martin und Ingrid Christen soweit: Nach 32 Jahren als Gastgeber schlossen sie die «Linde». Sie blicken sehr zufrieden zurück auf das, was sie mit ihren Gästen erleben durften. Es ist nicht nur ein Blick zurück, es ist auch ein optimistischer Blick voraus auf das neue Lokal im gleichen Haus.

Das Ehepaar, das während Jahren regelmässig die «Linde» besuchte, benötigte jeweils keine Speisekarte. Sie kamen aufgrund von ihrem Lieblingsgericht. Zu ihrem Glück fiel einer der Besuche auf einen Zeitpunkt, wo ihr Leibgericht vorübergehend nicht im Angebot war. Also wählten sie aus, was ihnen empfohlen wurde. Gefragt, wie es geschmeckt habe antworteten sie, dass sie auch in Zukunft keine Karte benötigen. Sie möchten nämlich immer wieder das Essen von heute Abend. «Es waren immer wunderbare Glücksmomente, wenn Gäste mit Freude zu uns kamen und mit Freude gegangen sind, nachdem wir sie bedienen konnten.» Wenn bei einem Rückblick eine solche Äusserung zuoberst steht, muss sie von jemandem kommen, der zufrieden ist. Die Äusserung kommt von Martin Christen. Er und seine Frau Ingrid führten während 32 Jahren das Restaurant und sie sind zufrieden. Einen Abschied ohne Wehmut gibt es allerdings nicht. «Es war ein Abschied in Raten. In den letzten Wochen mussten wir das Restaurant jeweils bereits um 19 Uhr schliessen. Einen richtigen Ausklang zusammen mit unseren Gästen war später erst recht nicht mehr möglich. Diese Art, uns von ihnen zu verabschieden, hat wehgetan; das war schlecht für unsere Moral.» Es waren unerfreuliche Umstände während der letzten Monate, aber doch nur eine kurze Zeit im Vergleich zu 32 Jahren. Dessen ist sich Martin Christen bewusst, dafür ist er sehr dankbar: «Wir hatten eine gute Zeit. Weil wir gerne Gastgeber sind. Meine Frau als Chefin im Service, ich als Chef in der Küche.»

Die Gaststube als Wohnzimmer

Dass Büroarbeiten nicht zu seinen liebsten Beschäftigungen gehörten, erstaunt nicht bei einem, der von neun Uhr morgens bis Feierabend im Betrieb präsent war und die Gaststube als sein Wohnzimmer betrachtete. Das ist für ihn selbstverständlich. «Ich habe keine Hobbys», sagt er in einer Natürlichkeit, die keinen Raum zulässt für Vermutungen, er hätte in seinem Leben etwas verpasst, «die Gäste und der Betrieb waren meine Hobbys.» Sein Berufsstolz und sein Herzblut als Koch und Gastgeber lassen gar keine andere Haltung zu. Er sieht sich darin bestätigt, denn daraus seien sehr gute, auch freundschaftliche Beziehungen entstanden. «Es hat sich gelohnt», lautet das Fazit von Martin Christen auf die Vergangenheit bezogen. Diese Haltung wird er mitnehmen in die Zukunft, seine Leidenschaft für die Rolle als Koch und Gastgeber kann er auch künftig leben. Wenn auch anders als bisher. «Seit zwei Jahren sind wir in der Planung für den Umbau des Hauses. Es entstehen mehrere Wohnungen, ein Teil des Restaurants wird jedoch bleiben. Als kleineres Lokal mit einer Terrasse auf der abgewandten Seite der Strasse.» Das Restaurant wird auch über eine Küche verfügen, und darin wird Martin Christen am Herd stehen – wie könnte es anders sein. Während dem Umbau wird das Ehepaar in Riggisberg wohnen, ob sie danach wieder nach Hinterfultigen ziehen, ist noch offen; wie auch die Details im Konzept des neuen Lokals.

Neueröffnung im nächsten Jahr

«Das Angebot aus der Küche wird kleiner sein und die Öffnungszeiten reduziert gegenüber früher.» Ein Teil der Stammgäste sei eben schon etwas laut, weiss er aus Erfahrung, das soll auch so sein. Allerdings sollen sich auch die künftigen Bewohner im Haus wohlfühlen. Ein gemütliches, kleines Beizli soll es werden, mit der vorgesehenen Eröffnung im nächsten Jahr. Eines, das jedoch ohne Ingrid Christen weitergeführt wird. «Meine Frau hört auf als Gastgeberin. Ich werde mit Aushilfen arbeiten, von denen ich weiss, dass sie gerne kommen werden.» Martin Christen wird also weiterkochen und seine Stammgäste werden sich freuen darüber. Auch diejenigen, die das erst seit kurzem sind. Fast ein wenig erstaunt stellt er fest, dass in den letzten zwei Jahren viele neue Stammgäste hinzugekommen sind. Darüber freut er sich. Sein Berufsstolz würde kaum zulassen, wenn er diese nicht weiter bedienen könnte. Darauf wird er nicht verzichten müssen, allein das ist für Martin Christen Motivation genug, um weiterzumachen. Seine offene Haltung gegenüber Veränderungen wird ihm entgegenkommen, das Lokal in anderer Form weiterzuführen. So, wie das Wirtepaar in all den Jahren mit Veränderungen umgegangen ist. «Die Gastronomie hat sich stark gewandelt», sagt er, «es sind nicht nur die Essgewohnheiten, die sich verändert haben. Mit Veränderungen müssen Gastronomen umgehen und sich anpassen.» Auf veränderte Essgewohnheiten könne er von der Küche aus reagieren, die rückläufigen Vereinsanlässe hingegen seien nicht zu beeinflussen. Martin Christen wird weiterhin dort Einfluss nehmen, wo er es kann. Aus seinem Reich, der Küche. Und mit der Nähe zu seinen Gästen.
Martin Jost

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