Der Herbst ist bei uns angekommen und zeigt uns seine vielen Facetten. Mir scheint, als hätte er jeden Tag ein neues Gesicht: Mal ist der Tag bunt und fröhlich, mal grau und trist.
An einem Tag wirft die Sonne ihre Strahlen in farbenreiche Wälder, wo man quirlige Lichtspiele beobachten kann. Wir drehen unser Gesicht suchend den Sonnenstrahlen zu, welche ein angenehmes wärmendes Gefühl auf unserer Haut hinterlassen, und der Sommer scheint doch noch nicht ganz entschwunden zu sein. Das Laub raschelt keck unter unseren Füssen, die Kastanien glänzen verlockend und Kürbisse locken uns mit ihrer prallen Fülle.
Am nächsten Tag ziehen schleierhafte Nebelschwaden wie eilende Geister über die braunen, abgeernteten Felder und zeigen uns bereits den kommenden Winter an. Die Natur scheint sich langsam nach innen zurückzuziehen und die letzten Stoppeln auf den Maisfeldern künden die ruhende Zeit an. Gar mystisch erscheint uns jetzt der Wald, in dem die Vogelstimmen langsam verklingen.
Diese Gegensätze in der Natur faszinieren mich sehr. Denn nicht nur bei Pflanzen und Tieren können wir diese beobachten, nein, auch bei uns selbst ist es diese Dualität, welche unser tägliches Leben spannend, aber auch herausfordernd macht. Betrachte ich mich selbst aufmerksam, erkenne auch ich diese verschiedenen Gesichter an mir: An einem Tag strahle ich und bin voller Energie. Ich umarme die Welt und jeden, der mir begegnet. Ein Lächeln kostet mich nichts und mein Wirken zieht andere mit. Ich bin offen und kommunikativ, brauche Menschen um mich und will Gemeinschaft fühlen.
Doch an anderen Tagen wünsche ich mir, ich wäre ein Igel, der sich in seine Kugelform zurückziehen kann. Ich möchte dann für mich sein, wenn möglich nicht sprechen und einfach nur Ruhe geniessen. Wenn ich könnte, würde ich mich dann wie eine kleine Fledermaus zwischen meinen Flügeln verstecken und die Welt um mich herum vergessen. Das Bedürfnis nach Stille ist in diesen Momenten allgegenwärtig.
Manchmal fällt es mir schwer, mich mit beiden Seiten zu arrangieren. Sollte man nicht jeden Tag ein Sonnenschein sein? So sind wir doch sozial verträglicher und werden von unserem Umfeld gemocht? Und gerade in meinem Berufsalltag, hat meine introvertierte Seite eigentlich keinen Platz.
In meinem Umfeld und gerade bei meinen liebsten Freunden stelle ich immer wieder fest, dass wir alle diese verschiedenen Bedürfnisse und Eigenschaften, mal mehr oder weniger ausgeprägt, leben. Die einen Menschen sind mehr auf der extro-, die anderen auf der introvertierten Seite unterwegs. Damit wir unser Zusammenleben harmonischer gestalten können, gilt es, auf diese «Gesichter» achtzugeben. Sei es bei uns selbst oder auch bei unseren Mitmenschen. Wir sollten uns vermehrt fragen: Wie ist unser Gegenüber gerade unterwegs? Was braucht mein Partner, Teamkollege oder Familienmitglied in diesem Moment? Kann ich damit umgehen oder versuche ich die Person in eine bestimmte Richtung zu lenken? Lasse ich dich sein, wie du bist, und zeige Respekt vor dir und deinem Wesen?
Ich wünsche mir selbst und natürlich dir, wo du gerade diesen Text liest, mehr Achtsamkeit und Wertschätzung im Umgang mit uns selbst und unseren Mitmenschen. Gehen wir mit viel Offenheit und Liebe an unsere heutigen Begegnungen.
Von Herzen schöne Herbsttage, deine Christine