1961: Ich war elf Jahre alt, als ich mit meinem Bruder erstmals nach Vercorin kam, ins Val d’Anniviers. Fünf Jahre später kauften unsere Eltern eine Ferienwohnung in diesem so typischen Walliser Dorf, seither verbringe ich jedes Jahr mehrere Wochen oberhalb von Sierre. Ich liebe den Ort, seine so sympathischen Bewohner, die Vercorinards. Weniger halte ich es hingegen mit den Behörden und Tourismusverantwortlichen. Hier einige wenige Beispiele – von zu vielen.
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Es beginnt mit Details: In der deutschen Fassung der Veranstaltungs-Agenda steht: «Die Bezahlung von Taxen Ihres Aufenthaltes trägt zur Demonstrationsorganisation bei Belebung in Ihrer Station.» Aha.
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Meiringen und Umgebung machen die Romanfigur Sherlock Holmes zum Kultobjekt nicht nur für Engländer. Dass Ende der 60er-Jahre Randolph Churchill während sechs Monaten die Erinnerungen an seinen Vater Winston in Vercorin niederschrieb und danach dem Dorf, das er liebgewonnen hatte, eine Ruhebank mit Dankesplakette stiftete (heute nicht mehr vorhanden), interessiert die Tourismusverantwortlichen nicht, obwohl in den letzten Jahren mehrfach darauf aufmerksam gemacht. Und dann die grosse Ausstellung des Malers Edouard Vallet – der zwölf Jahre in Vercorin gewohnt und gewirkt hat – bei der Fondation Gianadda vor einigen Jahren: Obwohl von der Stiftung in Martigny bedient, war im Dorf kein einziges Plakat zur Ausstellung zu sehen. Wieso auch?
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In den letzten Jahren ist der Metzger verschwunden, die Disco, ein Uhren/Schmuckgeschäft, einer von zwei kleinen Supermärkten; über Hotels und Restaurants liessen sich Bücher füllen, obwohl es einige wenige wirklich lobenswerte Ausnahmen gibt, den «Caveau de Francine» oder das «Margueron».
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Sie wissen es: Bei Ungerechtigkeiten werde ich säuerlich, fasse sie auch entsprechend in Worte, so auch kürzlich an die Adresse des Direktors der tollen neuen Seilbahn (am 12.12.12 eingeweiht), weil Versprechen nicht eingehalten und Gäste benachteiligt werden. In meiner Mail steht denn auch von einem jämmerlichen Deutsch im Veranstaltungskalender, von Unwahrheiten und Willkür zum Nachteil der Gäste. Mit der Erwähnung, dass ich zwei Aktien der Télécabines im Wert von 2000 Franken besitze, hoffe ich, ihn zu einer Antwort motivieren zu können. Mit Erfolg.
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In seiner Antwort stutzt er mich zurecht: «Ihr Aktienanteil beträgt 0,019%», womit klar wird: Bornhauser, Latz halten! Dann: Weil ich meine Pappenheimer kenne, frage ich den Gemeindepräsidenten bei der Einweihung der neuen Seilbahn, ob der – praktische und beliebte – Tellerlilift zwischen Mittel- und Bergstation (im Skigebiet sind ausschliesslich Tellerlilifte im Einsatz, 40 Jahre
alt, entsprechend pannenanfällig, neue Anlagen werden seit Jahren in Aussicht gestellt, die Pisten sind jedoch immer tipptopp präpariert, die Mitarbeitenden sehr freundlich) weiterhin betrieben wird, trotz der neuen Verbindung. «Ja, sicher! Dieser Lift bleibt in Betrieb, er wird aus wirtschaftlichen Gründen nicht eingestellt.» Einmal nur dürfen Sie jetzt raten, was sogar an Ostern passierte: Man durfte die Skis bei der Mittelstation ausziehen, um auf die Seilbahn zu gelangen. Begründung: «Der Tellerlilift ist nicht mehr attraktiv, er wird viel weniger benutzt.» Kunststück, wenn er ausser Betrieb ist! Weiter: Einmal streikt die Seilbahn bis 13 Uhr, die Verantwortlichen denken jedoch nicht daran, den Inhabern von Tages- oder Mehrtageskarten eine symbolische Rückerstattung im Sinne eines Goodwills zu leisten, was Mitarbeitende bestätigen. Und weshalb nicht? Darüber schweigt sich der Mann in seiner Antwort gänzlich aus, in der er mir mehrfach zu verstehen gibt, was er von einem kritischen Zeitgenossen hält. Gar nichts.
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Die noch vorhandenen Gewerbetreibenden und Dienstleister sind besorgt, weil Touristen im Winter mehr und mehr fernbleiben. Der Direktor nimmt das sportlich zur Kenntnis: «Wir haben nicht den Eindruck, im Rückwärtsgang zu fahren.» Was nicht sein darf, kann nicht sein.
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Viele Bekannte und bisherige Gäste meiden Vercorin inzwischen, weichen auf andere Wintersporte aus, auch im Val d’Anniviers. Und weil Vercorin zur politischen Rhonetal-Gemeinde Chalais gehört, ist der Ort im Gästeführer für das Val d’Anniviers nicht zu finden. «Holzbrett vor dem Kopf», sage ich dem. Das scheint die Verantwortlichen hier nicht gross zu beunruhigen. Schuld an der Entwicklung sind – ich höre es schon! – eh der zu starke Franken, die «Lex Weber», das Wetter, die Rahmenbedingungen, die Mehrwertsteuer oder mein heutiger Bericht. Selbst den Gemeindepräsidenten scheinen meine – zugegeben – zum Teil bissig zu Papier gebrachten Ansichten nicht zu beunruhigen. Mit «OUI!» antwortet er nämlich auf die Frage, ob er die Mail des Télécabines-Direktors mit seinem Namen und seiner Funktion mitunterschreiben würde.
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Apropos: Dieser Tage flatterte ein undatiertes und unpersönliches Rundschreiben (!) in die Haushalte: Man möge doch weitere Aktien für die Télécabines zeichnen. Im Gemeindebulletin steht vom Gemeindepräsidenten zu lesen, dass die Seilbahn unbedingt ihre Frequenzen erhöhen muss. Soso.
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Und: Die direkte Postauto-Verbindung nach Sierre will man nach der Renovation der Seilbahn Chalais-Vercorin auch kappen. Die Leute sollen ruhig den umständlicheren Weg via Buszubringer und Seilbahn nehmen, samt Umsteigen in Chalais.
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Er gehört zu den Urgesteinen der Könizer Politik. Der ehemalige Parlamentarier Christian Roth hat sich…