Ist Gleichheit auch gerecht?

Ist Gleichheit auch gerecht?

«Gleiche Entlöhnung für alle Gemeinderatsmitglieder» – eine parlamentarische Initiative. Was die EVP-GLP-Mitte-Fraktion will, erinnert ein wenig an den Slogan aus der Frauenrechtsbewegung: «Gleicher Lohn für gleiche Arbeit.» Die Mitte lanciert demnächst die erste parlamentarische Initiative in der Geschichte der Gemeinde mit der Folge: weniger Lohn für das Gemeindepräsidium.

Wissen Sie, wie viel die Gemeindepräsidentin verdient? Es sind zirka 205’000 Franken im Jahr. Die übrigen vier Mitglieder der Exekutive werden mit rund 190’000 Franken entlöhnt. «Die Antragsstellenden erachten die Entlöhnung der Gemeinderatsmitglieder grundsätzlich als den Aufgaben, den Kompetenzen und der Verantwortung angemessen, sehen aber keinen Grund, warum das Gemeindepräsidium immer noch höher entlöhnt wird als die anderen Gemeinderatsmitglieder», heisst es im Initiativtext.

Alter Zopf?
Vermutlich ist dieser Unterschied historisch gewachsen. Bis 2009 gab es in Köniz haupt- und nebenamtliche Gemeinderatsmitglieder. Geht man noch weiter zurück, war das Pflichtenheft des Präsidiums deutlich anders bestückt, als jenes seiner Ratskolleginnen und -kollegen. Eine Situation, die in vielen Gemeinden des Kantons Bern nach wie vor gilt. Aus diesem Grund wird das Gemeindepräsidium insbesondere in kleineren Ortschaften mit einem höheren Pensum versehen und damit höher entlöhnt. Heute ist das in Köniz anders. Alle Gemeinderäte leiten eine Direktion. «Es ist nicht einzusehen, warum die Funktion des Präsidiums höher entlöhnt werden soll», schreibt die Fraktion weiter. Ein alter Zopf also?
Prominentenbonus
Aus Sicht der Initianten schon. Das Gemeindepräsidium fungiert hier in jeder Hinsicht als «primus inter pares» (Erstes unter gleichen). Andererseits ist die vermutlich bekannteste Person aus der Kommunalpolitik in aller Regel jeweils die Gemeindepräsidentin. Der Grund liegt in der Funktion. Sie repräsentiert, nimmt an vielen öffentlichen Veranstaltungen teil, hält Reden, eröffnet Bauten, steht hin und informiert, wenn tragische Ereignisse eintreten. Eine höhere Entlöhnung könnte so gesehen aufgrund der «Überstunden» aus öffentlichen Auftritten gerechtfertigt werden. Die Könizer Realität zeigt aber, dass die Linie nicht so klar zu ziehen ist. Der tragische Tötungsfall im Wald beim Könizerberg – Hanspeter Kohler stand vor die Medien. Die Eröffnung des Schulhauses im Spiegel – Thomas Brönnimann sprach zu den Leuten. Das Podiumsgespräch zur Grünpflege mit dem KMU Köniz – Hansueli Pestalozzi debattierte. Die Präsentation des ÖV-Knoten in Kleinwabern – Christian Burren nahm Stellung. Es liegt also im Auge des Betrachters, ob eine Art Prominentenbonus gerecht wäre.

Kleine Anpassung –
grosse Wirkung
«Auch die Stadt Bern entlöhnt ihren Präsidenten nicht höher als ihre übrigen Gemeinderatsmitglieder», nennt Sandra Röthlisberger als Erstunterzeichnerin ein Beispiel zum Prinzip «primus inter pares.» Manchmal hält die Hauptstadt als gutes, manchmal als schlechtes Beispiel her. In diesem Fall als neutrales, das aufzeigt, dass Bern seine Betrachtung gefunden hat. In der Könizer Variante, wie sie im August im Parlament vorgeschlagen wird, soll das Behördenreglement angepasst werden. Artikel 1 des «Reglement über die Entschädigung und Nebenbeschäftigungen der Mitglieder des Gemeinderats und über weitere Entschädigungen» definiert zum einen, dass die Gemeindepräsidentin 80 Prozent von 130 Prozent des Maximums der obersten Lohnklasse erhält. Diesen wollen die Initianten ersatzlos streichen. Übrig bleibt Passus b) der besagt: «Die Entschädigung für die Mitglieder des Gemeinderats beträgt 80 Prozent von 120 Prozent des Maximums der obersten Lohnklasse. Es wird also geringfügig gespart. «Das Credo der hohen Ausgabendisziplin soll auch dort gelten, wo es Politikerinnen und Politier finanziell direkt betrifft», kommentiert die GLP-Parlamentarierin.

Der Zeitpunkt für eine solche Diskussion ist clever gewählt. Das Gemeindepräsidium ist demnächst vakant und das Mittel der parlamentarischen Initiative erlaubt eine rasche Umsetzung. Erst vor wenigen Monaten nahm das Parlament dieses neue Instrument auf, notabene ebenfalls aus dem Antrieb der Mitte-Parteien. Nun wird die Lohngleichheit im Gemeinderat damit angepeilt. Zumindest, wenn das Parlamentsbüro zum Schluss kommt, dass der Vorstoss wichtig genug für dieses mächtige Instrument sei. Voraussichtlich im August werden die Parteien den Slogan «Gleicher Lohn für gleiche Arbeit» diskutieren. Nicht im Sinne des Frauenrechts, sondern beim Gemeinderat. Eine Debatte um die Frage, ob Gleichheit in diesem Fall gegeben und gerecht ist?

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