Die Jugendparlamente arbeiten ehrenamtlich an ausgefeilten Lösungen; parteiübergreifend und im Konsens, ganz wie der Bundesrat. Wollen die Jungen einen Vorstoss in die Kammern tragen, sind sie aber auf den «Goodwill» der Politikerinnen und Politiker angewiesen. Nicht alle Jugendparlamente haben politische Rechte.
Positives Beispiel Köniz
Das Jugendparlament Köniz genisst solche Rechte. «Die Könizer haben ein Vorstossrecht. Das Jugendparlament darf den eingereichten Vorschlag auch im Parlament präsentieren», erklärt Cathrine Liechti. Die Präsidentin des Könizer Parlaments war selber im Jugendparlament aktiv und schätzt diese Möglichkeit. «Ich fände es schön, wenn dieses Vorstossrecht nicht nur in Köniz gelten würde.» Mit dieser Forderung trifft die junge Politikerin den Nerv vieler Jugendlichen. Das weiss auch Olivia Borer. Sie ist beim Dachverband Schweizerischer Jugendparlamente DSJ für die Gründung und die Unterstützung von Jugendparlamenten zuständig. «Wir wünschen uns, dass alle Jugendparlamente ein solches Vorstossrecht hätten», bestätigt sie.
Steigende Zahl
Hinter ihrem Pult hängt die Schweizerkarte. Die eingesteckten Nadeln zeigen die verschiedenen Jugendparlamente; kantonale, regionale und kommunale. 81 Fähnchen zeichnen ein Bild von immer mehr jugendlichem Engagement. Die Kantone, die noch kein «Jupa» wie die Jugendparlamente in der Umgangssprache bezeichnet werden, haben, unterstreichen die Aussage, dass junge Menschen manchmal kaum Gehör finden. «Man muss ausdauernd sein und gute Argumente haben», sagt Borer über ihre Hilfestellung bei der Gründung von Jugendparlamenten. Ein wichtiges Argument ist, dass Politik mit Bildung einhergeht. In besonderem Masse engagiert sich da das Jupa Jugend und Politik Sense. «Wir besuchen viele Schulen und animieren die Jugendlichen, ihre Ideen in der Politik einzubringen», erklärt Janine Aerschmann. Die JP Sense ist ein politisch neutraler Verein, der in seiner Region die jungen Menschen zu politischer Betätigung animiert, auf der anderen Seite aber auch Forderungen formuliert und diese über sein Netzwerk bei Politikerinnen und Politikern anbringt oder die Medien informiert.
Konsenspolitik
Gewisse Jugendparlamente sind öffentlich-rechtlich, das heisst in der Gemeinde oder dem Kanton verankert. Andere sind, wie die JP Sense, als Verein organisiert. Olivia Borer wünscht sich, dass die Jugendlichen in die bestehenden politischen Strukturen besser eingebunden werden, und argumentiert: «Viele Jugendliche gehören keiner politischen Partei an und auch die Jupas sind parteipolitisch neutral. Das zeigt, dass sie einen optimalen Rahmen bieten, um Lösungen konstruktiv und ohne Parteibuch gemeinsam zu erarbeiten.» Eine Aussage, die auch von Céline Hübscher getragen wird. «Wir finden oft Lösungen», sagt die Co-Präsidentin des Jugendparlaments im Kanton Bern. Sie sieht die kantonalen Aufgaben vor allen Dingen im Vernetzen. So findet im November diesen Jahres die erste kantonale Jugendsession von Bern statt und eine enge Zusammenarbeit in Form eines interkantonalen Austauschs der Jugendparlamente ist ebenfalls geplant. Einerseits ist Céline Hübscher begeistert von der Chance, parteiübergreifende Lösungen auszuarbeiten, anderseits «bedaure ich das fehlende Vorstossrecht und habe manchmal das Gefühl, die Behörden scheinen das nicht unbedingt zu wollen.»
Jugend hat keine Lobby
Höchste Zeit also, bei den Parlamentarierinnen und Parlamentariern nachzufragen. Wie verschaffen sich junge Menschen Gehör, wenn sie ehrenamtlich über viele Stunden Vorstösse ausgearbeitet haben? «Die Jugend braucht eine Tutorin oder einen Tutor», sagt Christine Buillard-Marbach. Die Freiburger Nationalrätin engagiert sich an den Schulen und kandidierte im Vorjahr an der Seite von 2 sehr jungen Kandidaten für den Nationalrat. «Die jungen Menschen sind ein Teil unserer Gesellschaft und ich finde es wichtig, dass sie ihre Themen einbringen und diese Chance erhalten», befürwortet sie eine bessere Eingliederung. Einer, der bereits mit 23 Jahren in kommunalen Kommissionen Einsitz nahm und schon zuhause dank eines Gemeindepräsidenten und Grossrats als Vater politisches Handeln kennenlernte, ist Lars Guggisberg. Der Nationalrat sieht Politik ebenfalls als Teil der Bildung: «Ein früher Anfang, egal ob in Vereinen, Kommissionen oder Parlamenten, ist eine Chance, Politik zu lernen und zu verstehen. Ich wünsche mir viele Jugendliche in solchen Gefässen und weniger Aktionismus», resümiert er. Ständerat Christian Levrat ärgert sich über die mangelnde Integration der jungen Menschen: «Die Jugendlichen sind die einzigen, die in Bern keine Lobby haben. Wir sind darauf angewiesen, einen Austausch mit ihnen zu haben, damit wir von ihren Forderungen erfahren.» Doch er sieht auch positiven Tendenzen. Kantone, die sich bemühen, Schulen, die thematisieren, und eine Jugendsession, die es ermöglicht, über die Parteigrenzen hinweg zu arbeiten und Vorschläge zu machen. «Lernen mit anderen Meinungen umzugehen ist wichtig», weiss er aus eigener Erfahrung.
Vorstossrecht als Forderung
Damit trifft der Ständerat genau die Stärke der verschiedenen Jugendparlamente und der Jugendsession, die von Anfang an diesen parteiübergreifenden Konsens suchen. In der Jugendsession erarbeiten die jungen Menschen in Foren im Beisein verschiedener Parlamentarier Vorschläge, die dann im Nationalratsaal debattiert werden und bei Annahme an das Parlament übergeben werden. Ein Vorstossrecht ohne Gewähr, wie der Vorschlag weiter behandelt wird. Man ist auf das Wohlwollen des Parlaments angewiesen. Wohlwollen ist aber bei manchen Politikern nur ein Lippenbekenntnis. «Jugendliche merken, wenn Politiker nur so tun, als würden sie sich für uns interessieren», verrät Sonja Nussbaumer. Wo Politiker Hand bieten, Gehör schenken und den Gesten Taten folgen lassen, da können die jungen Politiker ihre Anliegen anbringen, da beginnt ihre Lobby. Nur, reicht das? Laut Nadine Aebischer, Bereichsleiterin Politik bei der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände, ist nicht nur die Zahl der Organisationen leicht steigend, sondern die jungen Menschen sind zudem gut organisiert, engagiert und leisten wertvolle Beiträge. Deshalb «muss das System jugendfreundlicher werden», fasst sie zusammen. Ein Vorstossrecht, wie es Borer und Liechti formulieren, ist genauso eine konkrete Forderung der Jugend wie das Herabsetzen des Stimmrechtalters auf 16. Eine Jugendkommission im Parlament, das sei vermutlich eher Wunschtraum meint Céline Hübscher. Aber wieso eigentlich nicht?
Der Druck der jungen Menschen auf die Politik wegen der verschlossenen Türen dürfte zukünftig wachsen. Denn die Jugendlichen zeigen ungeniert auf, wie man Konsenspolitik betreibt und Lösungen präsentiert. Man ist geneigt zu denken: keinen Deut schlechter als das Parlament. Sie sind die Bundesräte von morgen mit Lösungen von heute. Sie sind ein Gesellschaftsteil, der genauso in die Politik gehört wie ältere Menschen. Ein Vorstossrecht wäre schon mal ein Anfang und Köniz das gute Beispiel aus der Region.