Wir hören sie tagein, tagaus. Und manchmal nehmen wir sie gar nicht mehr wahr – ausser sie sind zu laut, ertönen gar nicht mehr oder läuten ausserhalb der gewohnten Zeiten. So geschehen am Mittwoch, 4. Februar, bei der Thomaskirche Liebefeld. Während das Ausbleiben oder zusätzliche Läuten der Kirchenglocken früher auf eine Gefahr aufmerksam machte, bestand an diesem Tag hingegen kein Grund zur Sorge, im Gegenteil.
Glocken, die tönen statt stören
An diesem Mittwochvormittag präsentierte die evangelisch-reformierte Kirchgemeinde Köniz das neue Glockensystem der Thomaskirche Liebefeld. Eigens für den regionalen TV-Sender «Telebärn» läuteten die Glocken ausserhalb der vorgegebenen Zeiten. Danach wurden sie ausgeschaltet, damit die Journalisten die Glocken aus nächster Nähe besichtigen konnten. Um in den Kirchturm zu gelangen, muss zuerst die Aussenleiter erklommen werden. Obschon gesichert, empfiehlt sich dieses Experiment nicht für Menschen mit Höhenangst. Was schweizweit neu- und einzigartig ist, war für den Laien im Turm zwar nicht ersichtlich. Die Rede ist vom neuen Glockensystem, das nicht nur für leisere, sondern vor allem für wärmere Klänge sorgt. Beeindruckend ist der Blick aus nächster Nähe auf die vier übereinander befestigten Glocken dennoch, steigt man doch nicht alle Tage auf einen Kirchturm.
Beissende Obertöne fallen weg
Das neue System hat die Kirchgemeinde Köniz in Zusammenarbeit mit Matthias Walter, Glockenspezialist der Berner Denkmalpflege, und mit einer Glockentechnikfirma entwickelt. Das Ergebnis lässt sich zwar nicht im wörtlichen Sinne sehen, es ist dafür aber hör- und messbar. Der Schall der Glocken wurde um rund 5 DB reduziert. Die das Ohr belästigenden Obertöne von über 4000 Herz fallen weg. Zum Vergleich: Der höchste Klavierton misst etwa 4000 Herz. Durch den Wegfall der Obertöne klingen die Glocken weniger schrill, der Ton ist wärmer und runder. «Dank des neuen Anschlags und der neuen elektronischen Steuerung werden die scheppernden Töne gar nicht mehr angeregt», erklärt der Präsident des Kirchgemeinderats, Bruno Sigrist.
Üblicherweise wird bei zu lauten Glocken der Kirchturm eingedämmt. «Damit kann man zwar die Lautstärke reduzieren, der Klang wird fürs Ohr aber nicht angenehmer, da die hohen Obertöne bleiben», erklärt Matthias Walter. «Die Innovation besteht darin, dass die Lautstärke reduziert und gleichzeitig die Obertöne eliminiert wurden. Dies einzig und allein durch die Umstellung auf Fallklöppel», betont der Glockenspezialist (siehe Kasten).
Notwendige Kirchensanierung
Das neue Klangsystem wurde im Zuge einer notwendigen Sanierung des 50-jährigen Kirchenturms beschlossen. Im Juni 2014 sprach die Kirchgemeindeversammlung einen Kredit von 140’000 Franken. «Dabei ging es nicht nur um den lauten Klang, den einige Quartierbewohner beanstandet hatten», betont Sigrist, «sondern auch um die Modernisierung der Elektronik und eine Verbesserung der Arbeitssicherheit.»