Dem Bären und den Jugendlichen ist gemeinsam, dass sie viel zu wenig Platz haben, um sich auszutoben und auszuleben. Zusätzlich haben die Jugendlichen weitere Ansprüche der Gesellschaft zu erfüllen: Neben den Anforderungen von Schule und Gesellschaft kommt am Abend noch der Saxofon-Unterricht oder ein Fussball-Training hinzu. Kein Wunder, dass Jugendliche gerne unter sich sind und es dabei mal wild zu und her geht.
«Jugendliche sind überschäumend und loten die Grenzen der Gesellschaft aus», sagt Reto Kaeser von der Jugendarbeit Köniz (JUK). An sich sind solche Impulse bei Jugendlichen normal – doch wie geht eine Gesellschaft damit um, wenn sich daraus Probleme wie Littering, illegales Sprayen oder Lärm ergeben?
Letzterer entsteht in Spiegel etwa vor der VOI-Filiale, dem Schulgelände oder dem Kulturgarten. An all diesen Orten gilt eine Nachtruhe ab zehn Uhr – diese halten die jungen Könizer oft nicht ein. Die Folgen sind Meldungen der Anwohner bei der Polizei, welche die Jugendlichen anschliessend wegweist oder mahnt. Oder die Lärmgeplagten treten in direkten Kontakt mit den Nachtschwärmern, ein Prozess, der eskalieren kann.
Und was sagen die Jugendlichen dazu? «Für uns ist es stressig, von der Polizei kontrolliert oder weggewiesen zu werden», sagt eine junge Frau. Eine andere ergänzt, dass es nur wenige seien, die den Abfall falsch entsorgen und Lärm verursachten.
Solchen Ereignissen gegenüber stehen die ebenso berechtigten Interessen der Heranwachsenden nach Verwirklichung und Entfaltung. Wie also beide Ansprüche vereinen? Die JUK versucht mit dem Programm «Freiruum» genau das. Dieses strebt eine sinnvolle Integration Jugendlicher in öffentlichen und in jugendspezifischen Freiräumen und Plätzen an – die entsprechende Pilotveranstaltung fand anfangs Juni auf dem Schulsportplatz im Spiegel statt.
Dort hatten junge Menschen Gelegenheit, sich konstruktiv einzubringen und eigene Ideen mitzuteilen. An Pinnwänden, an welchen die JUK-Mitarbeiter Karten des Raums Köniz angebracht hatten, markierten die Jugendlichen mit Stecknadeln ihre Lieblingsorte – zudem gaben sie auch diejenigen Plätze an, welche sie nicht so gern aufsuchten. So ergab sich eine Diskussionsgrundlage, wo genau beispielsweise durch Jugendliche verursachter Lärm oder Abfall zu reden gab und wie Junge sich konstruktiv in das gesellschaftliche Leben einbringen.
Wichtig seien in all diesen Bereichen auch Denkanstösse und Möglichkeiten zur Mitwirkung der JUK, sagt Jessica Michael White, Jugendparlaments-Co-Präsidentin: «Viele Jugendliche haben gute Ideen, wissen aber nicht, wie anpacken – hier leistet die JUK viel», sagt Michael White.
Dem pflichtet Lea Roth von der JUK bei: «Wir sehen das Bedürfnis der Jugendlichen nach Freiraum. Bei der Umsetzung beziehen wir sie mit ein, so dass die Gestaltung der Räume mit ihnen zusammen geschieht.» Roth hofft, dass so mehr Räume für Jugendliche entstehen, die gesellschaftlich toleriert werden. Und dies, ohne dass die jungen Menschen ständig Sanktionen fürchten müssen.
Auch das Thema Sprayen und «Taggen» gingen die Jugendlichen an diesem Sommerabend sinnvoll an: Auf eine Leinwand sprühten Nachwuchs-Sprayer ein Graffiti, welches Coaches anschliessend mit dem Schriftzug «Free Space» veredelten. Damit wollen die Zuständigen die Jungen für legales Sprayen gewinnen, womit der öffentliche Raum entlastet werden soll. Im Gebiet stehen für diesen Zweck legale Wände zur Verfügung, damit Jugendliche ihren Aktivitäten nachgehen können, ohne gesellschaftliche Tabus einzureissen.
Was die Beteiligten beim Sprayen anstreben, ist ein gemeinsamer Nenner des gesamten «Freiruum»-Projektes: Jugendliche sollen ihre Pläne und Ziele verwirklichen können, dies jedoch in Zusammenarbeit mit dem Umfeld und nicht als dessen Fremdkörper.