Lehrreich, aber nicht belehrend

Lehrreich, aber nicht belehrend

Der Verein StattLand hat einen neuen Rundgang in Liebefeld zum Thema Suffizienz gestaltet. Dies in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Köniz und dem Liebefeld-Leist. Die Vorpremierengruppe startete Ende Mai bei den Sporthallen Weissenstein.

Die Hallen liegen noch auf Stadtberner Boden und werden als gelungenes Kooperationsprojekt der Gemeinden Bern und Köniz gefeiert. Der Schauspieler Dominic Wüthrich vertieft das Thema des Rundgangs: «Mit unserem Verbrauch von 6000 Watt pro Tag und Person benötigt die Schweiz aktuell drei Erden.» Zur Veranschaulichung legt er drei kleine Globen auf den Boden. Ziel sei die 2000-Watt-Gesellschaft, was mit einem suffizienten (genügsamen) Lebensstil zu erreichen wäre. Mehr Lebensqualität mit weniger materiellem Konsum. Teilen statt Besitzen. Reparieren statt Wegwerfen. Umnutzen statt Abreissen. Die folgenden Orte in Liebefeld sollen veranschau-
lichen, wie das umgesetzt werden könnte.

Wiederverwenden statt wegwerfen
Beim Marsch zu den Vidmarhallen überschreiten wir den Sulgenbach, die Gemeindegrenze von Bern und Köniz. Das 1904 erbaute Fabrikgebäude wurde mit minimalen Um- und Anbauten einer anderen Nutzung zugeführt. Heute befinden sich über 90 Firmen und Institutionen (Ateliers, Stadttheater, Beizli, Weinladen, Architekturbüro usw.) in den Hallen.

«Haben Sie gewusst, dass in der Schweiz pro Tag und Person zwei Kilo Abfall anfallen? Waren im Wert von 2000 Franken oder ein Drittel der Lebensmittel werden jedes Jahr weggeworfen», wendet sich Dominic Wüthrich an die Teilnehmenden. Mittlerweile sind Foodsharing-Gegenbewegungen wie die «Ghüdertaucher» und «Containerleute» entstanden. Die Organisation «Tischleindeckdich» verteilt in der Thomaskirche Liebefeld noch geniessbare Lebensmittel, die sonst im Abfall landen würden.

Beim Arbeitsintegrationsprojekt «Drahtesel» erfahren wir, dass die Schweiz mit einem Bestand von vier Millionen Fahrrädern eines der Länder mit der höchsten Fahrraddichte ist. 350’000 Velos werden jedes Jahr in der Schweiz verkauft. Seit den 1990er-Jahren wurden hier 125’000 Velos gesammelt und durch das Personal vom «Drahtesel» aufbereitet, um sie danach zu verkaufen oder in afrikanische Länder zu liefern.

Wiederverwenden und verdichten
Weiter geht es zu den 1957 erbauten Mehrfamilienhäuser am Thomasweg. Auch hier eindrückliche Zahlen zu unserem heutigen Wohnraumbedarf: Bei der Erbauung war eine Vierzimmerwohnung für sieben Betten gedacht, heute leben durchschnittlich noch 1,6 Personen in einer Wohnung. Verdichten ist das Zauberwort. Seit sieben Jahren gibt es in der Gemeinde Köniz das Bauzonen-Moratorium mit dem Ziel, vor allem in den Stadtagglomerationen zu verdichten und in den Landgebieten Grünzonen zu erhalten. Neu eingezont werden darf nur, wenn im Gegenzug anderswo in der Gemeinde ausgezont wird. Mehr Leute in verdichteten Wohnungsgebieten schaffen jedoch auch mehr Mobilität und weitere Probleme.
Mit diesem Stichwort werden wir zum Bahnhof Liebefeld geführt, von wo täglich 1400 Personen abfahren und ankommen. Auch wenn die Nutzung des ÖVs einen Drittel weniger Energie verbrauche als der Privatverkehr, gelte es zu bedenken, dass ein attraktiver öffentlicher Verkehr auch zu mehr Mobilität animieren könne, sagt Dominic Wüthrich. Dann sprechen die Fachleute vom «Rebound-Effekt». Beispielsweise der heutige Flachbildschirm, der zwar weniger Strom verbraucht als die alten Röhrenfernseher, dafür aber immer grösser wird.
«Reuse» (Wiederverwendung) gibt es auch bei Bahnhöfen. So erfährt die staunende Rundgängerin, dass in den 1920er-Jahren ein richtiger Bahnhofumtausch stattfand. Thun-Scherzlingen ins Fischermätteli, Fischermätteli-Bahnhöfli ins Liebefeld.

Die letzte Station ist im fünf Fussballfeld grossen Liebefeld-Park. Vor sechs Jahren unter dem Motto «Weniger ist mehr» fertiggestellt, erhielt der Park einen ersten Preis für Landschaftsarchitektur mit dem Vermerk: «Braucht es mehr, um glücklich zu sein?» «Ja! Mehr Bänkli im Schatten», lässt sich eine ältere Dame vernehmen. «Wie wäre es hier mit Urban Agriculture (städtischer Landwirtschaft)?», fragt der Schauspieler am ehemaligen Standort der «Landwirtschaft­lichen Versuchsanstalt».

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