«Made in Liebefeld»

«Made in Liebefeld»

Vielen von Ihnen ist wahrscheinlich gar nicht bewusst, dass sich mitten im Liebefeld ein internationales Unternehmen befindet. Von der Sägestrasse aus sieht man die Produktionshallen mit den grossen roten Buchstaben. Auf der anderen Seite, an der Könizstrasse 274, befindet sich der Haupt- eingang. Ein wenig versteckt zwischen den Wohnhäusern. Von hier aus werden die Produkte in die ganze Welt gesendet.

Begonnen hat die Geschichte 1950 mit einem Einmann-Betrieb im Keller des Nebengebäudes, das heute noch dazu gehört. Hans Bieri arbeitete damals in einem Wasserkraftwerk. Er hielt die Augen offen und erkannte, was gebraucht wird. Er startete mit isolierten Leitern, die man an Hochspannungsleitungen einhängen kann. Danach stellte er fest, dass in Wasserkraftwerken Hydraulik gebraucht wird. Schotten und Wehre werden mit Zylindern auf- und zugefahren, um den Wasserzulauf für Turbinen zu steuern. Dafür sind grosse Kräfte nötig. So begann der Könizer erste hydraulische Produkte zu entwickeln. «Er fing an, in seinem Keller hydraulische Komponenten zusammenzubauen und hat hier nach und nach die Kapazitäten räumlich und personell ausgebaut», erzählt der heutige Geschäftsführer Frank Siebert. Es folgten die Entsandungsanlagen. «Sand beschädigt die Turbinenschaufeln. Um dies zu verhindern, wird er rausgefiltert», erklärt Roman Ptak, Leiter Finanzen und Personal. Er erlebte bei seinem Stellenantritt 2004 noch die Auslieferungen der letzten Anlagen mit. «Das Problem ist, dass sie zu gut sind und nach 40 Jahren immer noch tadellos funktionieren. Es besteht kein Bedarf an komplett neuen Maschinen und kaum an Ersatzteilen», lacht Siebert. Seit 2006/07 wurden die Produkte immer kleiner, bis wir heute von Mikrohydraulik sprechen. Gerade einmal 21,5 mm im Durchmesser sind Pumpen, die in Bohrköpfen eingesetzt werden. Sie steuern dabei Klappen, dank derer man beim Tief-
lochbohren (bis zu 10’000 Meter) navigieren kann. Fällt eine Bohrinsel aufgrund eines Material-
fehlers aus, kommt es zu Folgekosten von 6 Mio. Dollar pro Tag. Dementsprechend hoch muss die Qualität der Komponenten sein. Das gilt für alle Bereiche und so findet unter anderem die Qualitätssicherung mit speziellen Geräten in einem klimatisierten Raum statt. Denn schon Temperaturschwankungen von zwei bis drei Grad machen einen Unterschied. «Wir haben Fertigungstoleranzen von wenigen Tausendstel Millimeter. Metall dehnt sich mit steigender Temperatur aus, umso wichtiger ist es, dass diese konstant ist», erläutert Ptak.

Warum das so wichtig ist, macht der Geschäftsführer anhand eines Beispiels deutlich: «In Olten wurde der Bahnhof verschoben, indem man ihn auf Riesenstahlschienen gestellt hat. Mit dem hydraulischen Druck wurde das Gebäude dann verschoben. In so einem Fall macht es keinen Unterschied, ob er pro Stunde 1,0 oder 1,2 Meter bewegt wird. Es sieht anders aus, wenn es um Brücken oder OP-Tische geht.» Im Fall von Autobahnbrücken liefert Bieri die Hydraulik für Klettergerüste. Betonpfeiler werden gegossen und «wachsen» so nach und nach, während die Gerüste laufend mitklettern müssen. «Hier kommt es auf Genauigkeit an. Wenn die Zylinder unterschiedlich weit ausfahren, wird es gefährlich. Das Gerüst kann sich verwinden, klemmen oder gar abstürzen, ein Sicherheitsrisiko entsteht», erklärt Siebert. Ein weiteres Beispiel sind OP-Tische – die Hydraulik für 30’000 Exemplare wurde an einen Hersteller in die USA geliefert. Damit werden Schweizer Hydraulikkomponenten in einem der am meisten verkauften OP-Tische verbaut. Es dürfe nicht passieren, dass während einer Operation der Tisch nicht 1A funktioniert. «Wir müssen den Ansprüchen gerecht werden. Dafür steht ‹Made in Switzerland› und das schreiben wir uns ganz gross auf die Fahne», sagt der CEO stolz.

Die Hochdruckhydraulik fängt bei 500 Bar an und geht bis weit über 1000 Bar. «Das entspricht einer Wassersäule von 10 km. Wenn man im Marianengraben tauchen würde, wäre das der gleiche Druck wie in einem 1000-Bar-Ventil», sagt Ptak. Warum dieser hohe Druck? «Er wird gebraucht, um hohe Kräfte auf engem Raum mobil zu erzeugen», erklärt Siebert und hat ein weiteres Beispiel aus dem Alltag parat: «Ein Muldenkipper hat ein Eigengewicht von 100 t, dazu kann man weitere 100 t laden. Geht jetzt ein Reifen kaputt, muss der Wagenheber 200 t anheben können.» Das entspricht dem Gewicht von 100 PKWs, die auf einer kleinen Fläche stehen. «Ohne Hochdruck müsste man den gleichen Zylinder viel grösser machen, dann wäre er nicht mehr tragbar oder mobil. Wir sind also eigentlich überall da, wo es eng zugeht und trotzdem tragbar sein muss.»

Bieri ist seit den 50er-Jahren am gleichen Standort. Auch wenn er für die Industrie nicht optimal sei, da man sich am Rand eines Wohngebiets befindet und die Anfahrt für LKWs nicht einfach ist, weiss man im Unternehmen die Vorteile zu schätzen. «Viele unserer Mitarbeitenden kommen aus der Gemeinde und können zum Teil sogar zu Fuss zur Arbeit gehen», freut sich der Personalleiter. Geändert hat der Zusatz im Namen. Weil Hans Bieri keine Nachkommen hatte, welche die Firma weiterführen wollten, folgte 1991 der Verkauf an eine Privatperson. 2011 kaufte die Hydac International GmbH das Unternehmen. Und so wird auch nach 70 Jahren weiterhin im Liebefeld produziert, ausgebildet und in die ganze Welt geliefert.

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