Man sieht sich immer zweimal im Leben

Man sieht sich immer zweimal im Leben

Eines haben wir Oldies der nachfolgenden Generation voraus, nämlich die Lebenserfahrung. Gut so, anders wäre es kaum zu ertragen, älter und unerfahren, was wiederum ja nicht heisst, dass wir Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen würden. Steht uns zu, aber nicht unbedingt gut an. Wie auch immer: hier drei Beispiele, wie man es (nicht) machen soll.

Zu einer Zeit, da Radio 24 sein Programm – so emel die Einschätzung der Schweizer Gesetzeshüter – illegal vom Pizzo Groppera aus sendet, bin ich beim Reisebüro Traveller in Zürich beschäftigt, seinerseits spezialisiert auf Graumarkttickets sowie Business- und Fernflugreisen. Anruf der Singapore Airlines, die zweimal wöchentlich die Route Singapore-Zürich-London retour fliegt. Auf dem Teilstück ZRH-LHR hat es in 2 Wochen im Jumbojet noch fast 250 leere Sitze, drei Tage später LHR-ZRH ebenso. Ob ich eine Idee hätte, wie man den Flieger zu einem einmaligen Sitzplatzpreis füllen könne. Ich erbitte Bedenkzeit, eine Stunde später bekommt Roger S. einen Telex (!), ob er für eine allererste Radio-24-Hörerreise zu haben wäre. Nach London, Radio-24-Party und Konzertbesuch im Hammersmith Palais mit einer bekannten Band eingeschlossen. Und Citytour. Und so. 10 Minuten später ruft ER an, ich gehe vor Ehrfurcht fast auf die Knie. Roger S. legt noch einen drauf, er könne uns 200 Tickets für Pink Floyd beschaffen, deren «The Wall» erst einige Wochen zuvor welturaufgeführt wurde. Sofort mache ich mich an die Kalkulation heran. Am frühen Nachmittag bekommt der Radiopionier den Verkaufspreis genannt. 498 Franken pro Person, Verdienst Traveller zero, ist schliesslich Werbung für uns. «Und was liegt für Radio 24 drin?», will er wissen. Ich nähere mich der Sprachlosigkeit, bin ratlos. Daran habe ich nicht gedacht. «Ich will 100 Franken pro Teilnehmer», kommt abschliessend. Henusode, ich schlucke die Kröte. Macht 598 Stutz pro Person. Die 200 Plätze sind innert weniger Stunden weg… Viele Jahre später sitzen wir – vereinfacht gesagt – im Verwaltungsrat von Radio Förderband zusammen. Er als Inhaber, ich als Vertreter der Migros Bern. Während dieser Sitzung sage ich in Sachen Finanzen offenbar etwas Gescheites. «Find ich guet», kommt anerkennend. «Weisch Roger, ig ha mal e guete Lehrmeischter in Sache Finanze gha.» Was lernen wir? Immer gut aufpassen.

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Ebenfalls aus meiner Zeit im Tour Operating. Wir legen ein Karibikprogramm auf. Antigua, St. Barthélemy, Nevis, St. Thomas und andere Destinationen, allesamt mit einem Hub über London mit British Airways. Alexis Krasnobaieff – intern der Einfachheit halber nur als Herr Krasno bekannt – bestätigt mir sämtliche Flüge. An einem bestimmten Datum bekommt er einige Zeit später Probleme, weil «overbooked». Ob wir unsere Kunden nicht via London und Miami in die Karibik fliegen lassen könnten, ihm wäre damit gedient und es würde ihm aus der Patsche helfen. Bornhauser, damals knapp 30, gibt sich unnachgiebig. Bestätigt ist schliesslich bestätigt, nicht mein Problem, Herr Krasno soll sich etwas einfallen lassen. Das tut er auch, ohne gross zu murren. Szenenwechsel, ein Jahr später. Reiseagent Bornhauser schiesst einen Bock bei Air France, bittet die Airliner darum, seinen Fehler auszubügeln. Und jetzt, liebe Lesende, dürfen Sie nur einmal raten, wer in der Zwischenzeit von der BA zur AF gewechselt hat? Genau. Herr Krasno. «Herr Bornhauser, kennen wir uns nicht?», werde ich ohne hämischen Unterton gefragt. «Ja, ich denke schon…» kommt kleinlaut retour. Wie auch immer: Herr Krasno zeigt Grösse und hilft mir aus der Patsche. Und was lernen wir daraus? Die Menschen begegnen sich immer zweimal im Leben, also niemals die Türe ganz zuschlagen…

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Szenenwechsel. Dieses Mal fahren Sie mit mir mit dem Flussboot auf dem Canal du Midi. Wichtig zu wissen: Die Schleusenwärter sind gewerkschaftlich organisiert. Heisst: Exakt um 12.30 bis 13.30 Uhr stellen sie ihre Tätigkeit ein, ziehen sich zum Déjeuner in ihr Schleusenhäuschen zurück. Rien à faire. An einem bestimmten Tag nähern wir uns gegen 12.27 Uhr einer Schleuse, in der bereits drei Boote stehen. Keine Chance, noch einen Platz zu ergattern, also fahren wir das Boot zur Seite, um es am Flussufer festzubinden und abzuwarten. Comment? Der Wärter winkt uns, bedeutet, dass wir kommen sollen. Ça alors! Volle Kraft voraus, ohne die anderen Boote zu beschädigen. Anbinden. Kaum sind wir an Ort, schliesst sich die Schleuse, fünf Minuten später sind wir einige Meter weiter oben, wo aber der zweite Schleusenteil geschlossen bleibt. Des Rätsels Lösung: Schleusenwärter und Madame beehren die vier Boote mit… Birnenkuchen. Dazu wird eine ganze Geschichte drumherum erzählt, «die Birnenbäume dort drüben, erst heute Morgen gepflückt, der Weizen von den Feldern dort, die Kuchen erst vor einigen Stunden gebacken» undsoweiterundsofort. Geniales Marketing (wie auch die Kuchen, die rübis und stübis verkauft wurden, göttlich schmeckten)! Was lernen wir hier? Tell a Story, erzählen Sie zu einem Produkt einfach eine Geschichte, dann verkauft sich das Ding von allein.

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