Emsiges Treiben zwischen der neuen S-Bahnhaltestelle Kleinwabern, der Tramwendeschlaufe, den verschiedenen Buslinien, Veloparkplätzen und Passantenflächen. Tausende rauschen vorbei, fliegend, summend, flatternd. Tausende Insekten. Geplant ist ein überdimensionales Insektenhotel in Form von zwei 15 m hohen Türmen als ökologischer Ausgleich. Sozusagen das «Bienen-Hilton». Es ist zum Mahnmal eines Politikums geworden. Denn ein Teil des Parlaments befürchtet ein deutlich weniger emsiges Treiben am neuen Knotenpunkt; bei den Insekten wie bei den Menschen.
Das Puzzlestück
«Die Verlängerung der Tramlinie 9 ist unbestritten. Aber ein guter Kern reicht nicht für ein ganzes Projekt. Wir bauen eine periphere Lage aus, statt nach innen zu verdichten, was machen wir hier eigentlich?», fragt Casimir von Arx (GLP) seine Ratskolleginnen und -kollegen. Die in Aussicht gestellten 2000 Arbeitsplätze vom Bund sowie der Investor für die Überbauung der «Balsigermatte», beide sind nicht mehr an Board, die Ausgangslage hat sich verändert. Eine private Beschwerde von Thomas Schneiter an das Regierungsstatthalteramt will deshalb das überdimensionierte Projekt ausbremsen, auch im Hinblick auf die prekären Finanzverhältnisse von Köniz. Doch das ist gar nicht so einfach. «64% der Bevölkerung nahmen im Jahr 2014 dieses Vorhaben an. Verändert hat sich nichts, weder die Erschliessung noch der Wille, den Verkehr an der Seftigenstrasse abzudämpfen, noch das Gebiet zu entwickeln», meint Gemeinderat Christian Burren (SVP). Beim Geschäft geht es um einen Kredit in der Höhe von 1,7 Mio. Franken. Dieser beinhaltet lediglich die Infrastruktur zwischen den einzelnen ÖV-Haltestellen. Die Erschliessung von Zug, Tram und Bus sind kantonale Projekte und nicht von dieser politischen Diskussion in Köniz abhängig. «Der Kanton reicht die Richtpläne ein, mit oder ohne unsere Infrastruktur», unterstreicht Burren. Das sei nur ein letztes «Puzzlestück», wie es Simon Stocker (Grüne) nennt, der als Sprecher der Geschäftsprüfungskommission eingangs des Traktandums für etwas Übersicht sorgt.
Eichen statt Parasiten
Parteikollegin Dominique Bühler kann das nicht besänftigen. Sie beleuchtet das Mahnmal des «Insekten-Hilton»: «Die geplanten Nisthilfen sind eine Art Endstation. Was bringt es, wenn sie hier wohnen können, daneben aber die Magerwiesen mit der nötigen Nahrung fehlen», verweist sie etwa auf Wildbienen, die lediglich 150 Meter weit fliegen. Und selbst wenn Nahrung vorhanden wäre, solch grosse Insektenanlagen sind gefährdet für Parasitenbefall, Biodiversität hätte man weitaus effizienter einplanen können, das hier sei eher «Öko-Klamauk oder Greenwashing», echauffiert sich die Biologin. Eichenbäume statt Parasitenbefall, Christian Burren hatte vermutlich selbst fast ein wenig das Ohrensummen vor lauter Diskussionen über die Insektenanlagen. «Ich werde das mit den zuständigen Fachleuten noch einmal überprüfen», sagt er an die Adresse von Bühler.
Zwängerei zweier Seiten
Köniz kann das meiste Geld der 1,7 Mio. Franken über Fonds und Beiträge einholen. Es verbleiben noch 370’000 Franken, die aus den Steuermitteln zu bezahlen sind. «Ein Schnäppchen» sagen manche. «Diese sind verlockend, man kauft oft etwas, das man nachher nicht mehr braucht», meint Iris Widmer und verweist auf die fehlenden Investoren und Arbeitsplätze. «Kleinwabern bekommt ein Dorfzentrum und dringend benötigte Wohnungen können endlich gebaut werden», bekundet Isabelle Steiner (SP) ihr Befremden über die Rückweisungsgedanken. Das sei ein «Störmanöver» kommentiert sie die Rückweisung der Mitte-Fraktion. Aus dieser stamme angeblich auch die private Beschwerde, wie Gemeinderat Burren öffentlich vermutet. Dominic Amacher (FDP) sieht zudem die Zeitverzögerung, die damit verbunden wäre. Reto Zbinden (SVP) hingegen tut sich schwer mit Abwägen: Ein überdimensioniertes Projekt mit einem Insektenhotel, das aus biologischer Sicht nicht über alle Zweifel erhaben ist und gleichwohl Steuergeld kostet, gegenüber einem Nichtstun, sodass die kantonalen Partner ausbauen. Köniz habe zudem einen Volksentscheid zu respektieren. Parteikollege David Burren meint: «Ich gebe zu, ich bin kein Fan von Siedlungsdruck, aber wenn man schon entwickelt, dann dort, wo es machbar ist.» Die Rückweisung findet daraufhin mit 21 zu 15 Stimmen im Parlament keine Mehrheit, der Kreditantrag kommt wenig später durch, das Projekt wird im Sommer aufgelegt, Fertigstellung sei im Jahr 2026 geplant.
Das letzte Puzzlestück ist eingefügt, allen Widerständen zum Trotz. Dennoch täten die Projektführer gut daran, das Insekten-Hilton neu zu überdenken, der Natur zuliebe und um zu vermeiden, dass es nicht zum Mahnmal für Greenwashing wird. Das Gebiet befindet sich in einer Entwicklung, es geht nun umso mehr darum, das Ausbleiben der Investoren zu nutzen, um die Raumplanung sorgfältig anzugehen. Die Beschwerde ist derweilen beim Regierungsstatthalteramt noch hängig. Dass dieser jedoch eine Bauerlaubnis widerruft, mag bezweifelt werden. Ob es mehr Insekten als Pendler geben wird, bleibt wohl eine Frage des Zeitpunkts.