«Mein Beruf hat mir immer gefallen»

«Mein Beruf hat mir immer gefallen»

Im Jahr 1984 schallten weltweit Hits von Stevie Wonder aus den Radios, in Europa gingen die Olympischen Winterspiele über die Bühne und in der Schweiz wurde Leon Schlumpf als Bundespräsident vereidigt. In Neuen­egg trat ein motivierter junger Mann seine Stelle als Gemeindeschreiber an. 34 Jahre später schaut Hans-Ulrich Gerber seiner näher rückenden Pensionierung entgegen.

In all diesen Jahren war Gerber Fels in der Brandung, ein Ruhepol in den wechselnden politischen und alltäglichen Geschäften der Gemeinde. Der künftige Pensionär stellt seinem Arbeitsplatz und seiner Gemeinde gute Noten aus: «Ich hatte immer gute Leute um mich, auch mit den politischen Behörden war die Zusammenarbeit immer positiv.» Besonders mit dem Gemeindepräsidenten arbeite man als Schreiber eng zusammen. Fünf Gemeindepräsidenten hat er begleitet, mit ihnen diskutiert und ihnen den Rücken freigehalten. Dabei war er ein aufmerksamer Beobachter im Gemeinderat. Das Interesse an den politischen Geschäften des Rats hat Gerber auch nach so langer Zeit nicht verloren. «Ich bin von Anfang an im politischen Prozess dabei und begleite ihn bis zum Schluss», erklärt er seine Faszination. Musste der stille Beobachter den Politikerinnen und Politikern auch ab und zu auf die Finger klopfen? «Ich habe mich nur eingemischt, wenn ich das Gefühl hatte, es läuft etwas schief», schmunzelt Gerber. Die positive Grundhaltung ist ihm anzumerken, so schnell bringt den erfahrenen Berufsmann nichts aus der Ruhe. René Wanner, Gemeindepräsident in Neuenegg, ist sich über den Wert seines dienst­ältesten Mitarbeiters im Klaren: «Mit Hani zusammenzuarbeiten ist sehr erfüllend». Seine besonnene und neutrale Art vermittle grosse Sicherheit in allen Dossiers, das aufgebaute Wissen sei nach 34 Jahren im Amt enorm. «Als Präsident ist es schön und entlastend, einen solchen Sekretär zur Seite zu haben», so Wanner dankbar.

Sprung ins kalte Wasser
Dass ihn seine Stelle in Neuenegg erst zur Pensionierung wieder loslassen würde, hätte sich Gerber damals nicht träumen lassen. Auch wenn für ihn klar war, dass er in diesem Bereich arbeiten möchte, schliesslich hat er bereits die Lehre in der Gemeindeschreiberei gemacht. Nach seinem Militärdienst sammelte er seine ersten Berufserfahrungen aber ausserhalb von Neuenegg. Durch Zufall erfuhr er damals, dass in Albligen gerade eine Stelle als Gemeindeschreiber und Finanzverwalter in Personalunion frei würde. Kurz entschlossen bewarb sich der Lehrabgänger und erhielt prompt den Zuschlag. «Den Mut hätte ich heute nicht mehr, direkt nach der Lehre eine solche Stelle anzutreten», lacht Gerber. Das sei ein Sprung in eiskaltes Wasser gewesen, aber er habe viel davon profitieren können. Nach zehn Jahren in Albligen kam der Wechsel nach Neuenegg. Vieles hat sich verändert seit seinem Stellenantritt. Nebst technischen Neuerungen – anfangs tippte Gerber seine Dokumente noch auf der Schreibmaschine – sei vor allem der Kontakt mit den Menschen mit der zunehmenden Gemeindegrösse verloren gegangen. «Ich stelle fest, dass man heute vor allem schreibt, anstatt das direkte Gespräch zu suchen», beobachtet der künftige Pensionär. Gerade diesen Kontakt hat Gerber sehr geschätzt an seiner Arbeit, wie beispielsweise die jährlichen Gratulationsbesuche bei Jubilaren. Das gebe meistens sehr spannende Gespräche und Begegnungen. Doch auch heute noch ist er überzeugt von seiner Arbeit: «Mein Beruf hat mir immer gefallen, die Arbeit ist sehr abwechslungsreich.» Kommt die Rede auf erlebte Herausforderungen, wird Gerber nachdenklich. Als alleinerziehender Vater erlebte er auch belastende Jahre, die er mit Unterstützung der Schwiegereltern aber stemmen konnte. «Ich bin froh, dass das gut gegangen ist», erzählt er mit Freude und leisem Stolz – die drei Kinder stehen heute als junge Erwachsene fest auf dem Boden.

Stimme im Gospelchor
Wohin der weitere Weg nach dem letzten Arbeitstag Ende Februar führt, lässt Gerber noch offen. Langweilig wird es ihm aber keinesfalls und von Schauergeschichten über emotionale Tiefs, wie sie andere Rentner erleben, lässt er sich nicht schrecken. «Ich bin ziemlich ruhig bis jetzt», erklärt er. Ende letztes Jahr habe es aber doch ein paar Momente gegeben, in denen ihm der kommende Abschied Mühe machte: «Bei jedem Anlass kam der Gedanke auf, dass ich nun das letzte Mal dabei bin.» Ideen und Wünsche sind genügend da, und Gerber nimmt eins nach dem anderen. Etwas mehr werkeln rund ums Haus und auf dem weitläufigen Land, später vielleicht eine zweite Reise nach Kuba oder nach Finnland. Besonders wichtig ist Gerber, dass er sich wieder mehr Zeit nehmen kann für die Musik. «Die Blasmusik nehme ich vielleicht wieder auf, aber auch singen in einem Gospelchor würde mich sehr reizen», erzählt er mit Vorfreude. Wer ihn kennen lernen durfte und in seinen 34 Jahren als Gemeindeschreiber mit ihm gearbeitet hat, der weiss: Hani Gerber wirft so schnell nichts aus der Bahn, die eigene Pensionierung wird da bestimmt keine Ausnahme sein.

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