Mensch über Meinung

Mensch über Meinung

Ich gebe zu, ich habe Charlie Kirk nicht gekannt. Auch sonst verfolge ich die Geschehnisse in den USA zurückhaltend – zu meinem Eigenschutz. Vor über zehn Jahren lebte ich drei Jahre lang in Kalifornien. Schon damals, als noch Barack Obama Präsident war, fiel mir die Polarisierung in der Gesellschaft auf.

Man war im republikanischen Lager. Oder liberal. Immerhin waren, zumindest in den Kreisen, in denen ich verkehrte, auch grabenübergreifende Freundschaften möglich. Dass nun Menschen auf beiden Seiten des politischen Spektrums aufgrund ihres Engagements ermordet werden, erschreckt und betrübt mich zutiefst. Doch ganz überraschend ist es nicht. Der Nährboden dafür ist nämlich auch bei uns wahrnehmbar. Haltung oder Meinung wiegen oft schwerer als die Beziehung zum Gegenüber. Ich ertappe mich ja selbst dabei. Immerhin habe ich das Glück enger Beziehungen, etwa zu meinem Mann, mit dem ich immer wieder politisch anderer Meinung bin – ein gutes Übungsfeld. Denn hier wäre ein rigoroses «Canceln», wie es online so schnell passiert, fatal. Es zwingt mich, das Verbindende zu suchen statt nur das Trennende. Eine Kunst, die mir als Idealistin nicht leicht fällt. Der Konflikt zwischen Israel und Palästina ist ein weiteres Beispiel, bei dem – vor allem online – «entweder-oder» gilt. Dazwischen: Stacheldraht und Pfefferspray, bildlich gesprochen. Vielleicht beginnt der Widerstand gegen Polarisierung genau dort: nicht beim grossen Auftritt auf X, sondern im kleinen Nein zum Stacheldraht am Küchentisch. Ich nehme mir das jedenfalls vor und ich weiss, einfach ist es nicht. Es fällt auch mir manchmal einfacher, Andersdenkende abzuwerten anstatt den Menschen hinter der Meinung zu sehen. Doch wer andere nur noch als Schlagwort sieht, verliert auch seine eigene Menschlichkeit.

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