Liebe, Sehnsucht, Einsamkeit: das sind die grossen Themen der grossen Songwriter. Eines Leonard Cohen, beispielsweise, oder eines Bob Dylan. Immer mit dem Menschen und seinen Gefühlen im Mittelpunkt. «Weshalb», fragt Roland Zoss rhetorisch, «wird dabei der Umgang des Menschen mit der Umwelt immer ausgegrenzt?» Ob es mit unserer Kultur zusammenhänge, sinniert er, weil beispielsweise auch über die Tierliebe nichts in der Bibel steht? Für Roland Zoss ist die Natur seit langem ein zentrales Thema, nicht bloss eine Erscheinung des Zeitgeistes. Verwundern tut sie ihn allerdings schon, diese Ausgrenzung, «wenn doch plötzlich alle ‹grün› werden.» Er macht es anders. Die Liebe steht zwar auch in den Texten seines neuen Albums «Baumlieder» im Mittelpunkt, jedoch als Liebeserklärung an die Bäume. Oder als Liebe zwischen Bäumen, von denen einige zu den grössten Lebewesen der Erde zählen. «Esche und Ulme» ist ein Lied über zwei Liebende, wiedergeboren als Bäume am Ufer der Aare und am Ufer der Zeit. Der baumgrosse Eschenmann lässt seine Wurzeln zu der Dame wachsen, breitet seine Äste aus zur Umarmung, die Ulmendame raschelt mit den Blättern und erwidert so ihre Liebe. Dass jedes der 15 Lieder auf dem Album einem Baum gewidmet ist, überrascht nicht. Auch nicht, dass der spontane Gedanke aufkommen kann, es könnte sich dabei vorwiegend um schöngeistig-sphärische Musik handeln.
Poesie in zugänglichen Melodien
Die Überraschung liegt anderswo, nämlich in der musikalischen Vielfalt. Die fantasievollen Texte werden von Melodien verschiedener Stilrichtungen getragen. Ist die «Linde» am Blues angelehnt, orientiert sich die «Eibe» an irischem Folk, die «Eiche» an melodiöser Popmusik, die «Arve» ist ein urtümliches Ländlerstück. Und das Intro vom «Nussbaum» erinnert an die Riffs der Gitarren-Helden der 1970er-Jahre. Das ist kein Zufall. Roland Zoss: «Ich bin glücklich und dankbar, dass ich das musikalisch beste Jahrzehnt als junger Erwachsener erleben durfte. Das ist der Sound-Pool, aus dem ich schöpfe.» Darin verwurzelt blieb er sich seit 45 Jahren treu. «Musik muss aus dem Herzen kommen.» Nein, findet er, Kunst und Kommerz schliessen sich nicht aus, aber: «Das Musikschaffen sollte nicht von monetären Absichten geleitet sein.» Das Hauptwerk von Roland Zoss entstand erst ab seinem 40. Altersjahr, später als bei den meisten Künstlern. «Es gibt eine Zeit zu kommen», sagt er, «und es gibt eine Zeit zu gehen.» Vorläufig kann er nicht gehen, zu vieles will er noch tun. Auftritte in Schulen mit der Kinderrockgruppe «Jimmy-Flitz-Band» oder dem «Xenegugeli-ABC» gehören dazu, ebenfalls die Weiterführung des Baumlieder-Projektes. Dieses wird im Frühling ergänzt mit dem zweiten Album «Bäume des Südens». Zusammen bilden die Alben für Roland Zoss die Basis für ein Buch zum selben Thema, das in Schulen im ganzen deutschsprachigen Raum Einzug halten soll.
«Bäume haben keine Lobby»
Grosse Menschenansammlungen meidet Roland Zoss so gut es geht. Ganz anders hält er es mit Bäumen, auch in grossen Gruppen. Die Faszination hat einen frühen Ursprung: «Ich fand als junger Mann eine süditalienische Insel. Dort pflanze ich seit 40 Jahren Bäume.» Seine Liebe zu Bäumen ist seither gewachsen, der weltweite Bestand hingegen geschwunden. «Sonne, Luft und Wasser nehmen wir als selbstverständliche Basis zum Leben wahr. Aber was ist mit den Bäumen? Bäume sind Luft, wir brauchen sie zum Leben.» Ein Baum, fährt er fort, habe Charakter, Wald sei Medizin für Körper und Seele. «Ein Baum kann uns einiges geben, den Rest müssen wir in die Hand nehmen, denn Bäume haben keine Lobby.»
Roland Zoss will sich abgrenzen von belehrendem oder erzieherischem Auftreten, er ist sich bewusst, dass noch kein Lied die Welt verändert hat. «Ich will mit meiner Musik die Herzen von Menschen öffnen, ihnen Denkanstösse vermitteln und im Konzert einen Energieaustausch erzeugen.» Damit drückt er aus, dass aus Mensch und Umwelt Liebende werden sollen wie im Lied von der Esche und der Ulme nach alter germanischer Sage. Sie wachsen Blatt für Blatt gemeinsam der Sonne entgegen.