Muss eine Null eine Farbe haben?

Muss eine Null eine Farbe haben?

Das Parlament kennt kein Pardon. Nachdem erst vor kurzem die Steuern angehoben wurden und ein satter Gewinn für das Jahr 2022 einem Befreiungsschlag gleichkommt, kann für die kommenden Jahre kein positives Bild gezeichnet werden. Der Finanzplan weist eine Rekordverschuldung auf und das Budget soll bereits im kommenden Jahr defizitär sein. Das Parlament zieht die (Schulden-)Bremse.

Ein Budget soll ausgeglichen sein. Der Gemeinderat aber stellte ein Defizit von einer Mio. Franken für das Jahr 2024 in Aussicht. Daran erhitzten sich die Gemüter, als wäre es ein Kontrastprogramm zum garstigen Novemberwetter. Braucht es eine schwarze oder eine rote Null, das ist hier die Frage. «Das Budget ist ein Kompromiss. Der Gemeinderat hat es geschmiedet und ist der Ansicht, es ist zielführend», erinnert Gemeindepräsidentin Tanja Bauer die Anwesenden. Und sie ist nicht allein mit dieser Aussage. Der Gemeinderat steht geschlossen hinter einem Budget, das «ehrlich und realistisch ist», wie Bauer zusammenfasst.

Am Budget wird gefeilt

Steigende Kosten bei Zinsen, Unterhalt, Investitionen und Personalaufwand sind die grossen Kostentreiber. «Auch wenn die Lage angespannt sei, empfiehlt die Finanzkommission die Annahme des Budgets», so der Präsident David Müller (Grüne). Das Trauma des budgetlosen Zustandes ist im ganzen Parlament allgegenwärtig. Deshalb wäre eine Rückweisung, wie sie die EVP-GLP-Mitte-Franktion beantragt, nur eine «Ultima Ratio», wie es Matthias Müller (EVP) nennt. Doch weder diese Empfehlung noch die mahnenden Worte der Gemeindepräsidentin halfen: «Es ist sicher gerungen worden, das wissen wir. Es wurde zusammengespart, aber kurz vor der schwarzen Null war die Luft draussen. Ist das eine Provokation oder ein Hilfeschrei?», kritisiert Matthias Müller mit seiner Frage. Es brauche nun auf alle Fälle Kompromisse, um dieses negative Budget zu verhindern, stellt
Florian Moser (SVP) fest. Seine Partei, die FDP, sowie die EVP-GLP-Mitte-Fraktion warteten deshalb mit verschiedenen Änderungsanträgen auf. Es half wenig, dass Matthias Stöckli (SP) daran erinnert: «Es ist nicht seriös, eine Mio. Franken einfach verschwinden zu lassen.»

Wie treffsicher ist ein Budget?

Selbst als die Gemeindepräsidentin aufzeigen konnte, dass zahlreiche umliegende Gemeinden wie Bern, Ostermundigen, Muri oder Ittigen negative Budgets für das Jahr 2024 präsentieren, half das wenig. «Es darf doch nicht wahr sein, dass wir schon im ersten Jahr die Reserven anzapfen. Wir müssen doch mit schwarzen Zahlen planen», stört sich Dominic Amacher (FDP). Den Bürgerlichen sowie der EVP-GLP-Mitte-Fraktion gelingt es, zehn Änderungen durchzusetzen und damit ein ausgeglichenes Budget zu erreichen. Eine Art Giesskanne mit Sogwirkung saugt in jeder Direktion noch ein paar Hunderttausend Franken ab, damit aus einer Mio. Franken Defizit ein ausgeglichenes Budget entsteht. Die rote Null wird schwarz. Aber wie ist das mit Budgets und deren Genauigkeit? Bei vermutlichen Einnahmen von 247 Mio. Franken ist da nicht schon 1 Mio. Franken minus im Budget ziemlich ausgeglichen oder in eine Art Kulanzbereich? Ab wann ist eine Null eine Null und braucht diese dann überhaupt noch eine Farbe?

Was es braucht

Wenn man weg vom aktuellen Budget philosophiert, dann muss man den IAFP anschauen. Der sogenannte Integrierte Aufgaben- und Finanzplan verrät, wie sich die Zahlen der Gemeinde in den kommenden Jahren entwickeln werden. Und die Prognosen sind trüb. Hier liegt der Zündstoff, weshalb das Parlament Handlungsbedarf sieht. «Der IAFP ist ein Überblick über die Zukunft, er ist umfangreich und soll Transparenz herstellen. Die Zukunft sieht angespannt aus. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir nun darauf reagieren können. Investitionen, Personalaufwand, Betriebsaufwand und Transferaufwand sind die grossen Blöcke», räumt Gemeindepräsident Tanja Bauer ein. Anders als beim Budget kann das Parlament den IAFP nicht verändern, ihn aber zustimmend, teilweise zustimmend oder ablehnend zur Kenntnis nehmen. Die von Bauer angesprochenen grossen Ausgabenposten bezeichnete Fabienne Marti (GLP) als «Elefantenherde der Probleme». Deren Staub hätte man aber schon früher erkennen können, skizzierte David Müller (Grüne) das Bild weiter. Konkret geht es darum, dass die Verschuldung in den Himmel steigt oder, wie es Dominic Amacher (FDP) ausführt: Über 100 Mio. Franken kommen dazu. «Ein haushälterischer Umgang wäre anders», kommentiert der Liberale weiter. «Das ist besorgniserregend», meint denn auch Florian Moser (SVP), der erneut an die Deckelung der Investitionsausgaben appelliert, weil sich diese im Jahr 2024 auf stolze 41 Mio. Franken belaufen. Die Schuldenbremse war seinerzeit Bestandteil des Kompromisses, um den budgetlosen Zustand zu verhindern. Im IAFP zeigt dieses Instrument auf jeden Fall keinerlei Wirkung, weshalb die Bürgerlichen sich wehren. Sogar die SP zeigt sich kritisch in der Gesamtbeurteilung. «Ich hätte das Votum zum IAFP vom letzten Jahr hervornehmen können. Wir drehen uns im Kreis», stellt Vanda Descombes fest. Doch die Sozialdemokraten sehen keine weiteren Sparpotenziale bei den Ausgaben mehr. Vielmehr sagt Descombes: «Die Einnahmen sind längerfristig zu knapp für eine Gemeinde wie Köniz. Es gibt strukturelle Pro-
bleme, die man nun angehen muss. Schuldenbremsen und Sparmassnahmen lösen das Einnahmeproblem nicht.» Und dieser Teil ist es, der schliesslich die Puzzleteile zusammenfügt. Während die linke Parlamentshälfte auf der Suche nach mehr Einnahmen ist, zückt die Rechte den Rotstift. Weil der IAFP schlechte Prognosen macht, setzt das Parlament dann lieber für das Budget 2024 ein Zeichen und korrigiert. Wenn der IAFP düster ist, wird das Budget kritischer begutachtet. Die Frage, ob eine Null schwarz oder rot ist, mag philosophisch klingen. Doch die Farbe hat mit der Entwicklung der kommenden Jahre zu tun. Je schlechter die Aussichten, desto roter der Stift.

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