Nadine versuchte sich in Männerdomäne

Nadine versuchte sich in Männerdomäne

Erstmals setzte sich eine Schulklasse des Oberstufenzentrums Köniz im Rahmen des Schulprojektes Avanti während einer Woche vertieft mit dem Thema geschlechtsuntypische Berufsfelder und Lebensentwürfe auseinander. Dies zur Sensibilisierung und als Einstieg in einen offenen Berufswahlprozess. Schülerin Nadine Hofer hat sich in einem typischen Männerberuf inspirieren lassen.

Vorsichtig und mit Respekt führt Nadine Hofer an der Drehbank den Schneidestahl an das Plexiglasrohr, um es innen und aussen zu facettieren. Die Schülerin aus der Klasse 7c der Oberstufenschule Köniz (OZK) steht zum ersten Mal in ihrem Leben an einer Drehbank. In der Lehrwerkstatt der Firma Haag-Streit AG im Liebefeld, die hochpräzise optische Instrumente für den Medizinalbereich herstellt. Umgeben von Männern, absolvierte sie innerhalb des Schulprojektes während drei Tagen ein Praktikum im Berufsfeld Polymechanikerin. «Es ist schon ein spezielles, mulmiges Gefühl, zum ersten Mal in einem grösseren Betrieb an die Arbeit zu gehen, wo man niemanden kennt», gibt die 13-Jährige ihre Gefühlswelt unumwunden preis. «Die Haag-Streit AG bildet derzeit 16 Polymechaniker, darunter eine Frau, ein Elektroniker sowie eine Lernende im kaufmännischen Beruf aus», sagt Lehrlingsausbildner Andres Aebi und fährt fort: «Wir machen schon seit neun Jahren, fast seit Beginn von ‹Avanti›, mit».

Dem dreitägigen Betriebspraktikum ist am Montag eine Einführung vorausgegangen. Die Schülerinnen und Schüler setzten sich mit Selbst-, Fremd-, Traum- und Vorbildern auseinander. Dies soll die Jugendlichen zu einer von Rollenstereotypen losgelösten, selbstbewussten Berufs- und Lebensplanung ermutigen. Die Buben beschrieben beispielsweise ihre Traumfrau, die Mädchen ihren Traummann. «Bei einer Aufgabenstellung mussten sich alle entscheiden, ob sie in das von einem Piloten oder einer Pilotin gesteuerte Flugzeug einsteigen wollten. Nur gerade ein Mädchen wählte das von der Frau pilotierte Flugzeug», erläuterte Klassenlehrerin Miriam Hess.

Initiative von Lehrerin
Der Einsatz der «Avanti»-Schulprojektwoche für ihre 13 Mädchen und 9 Knaben ging auf Initiative der Klassenlehrerin zurück. Sie hat es in Absprache mit Schulleiter Peter Rohrer im OZK initiiert. «Die weiteren Lehrkräfte der Schule sind gespannt auf die Auswertung dieser Woche. Ob das ‹Avanti›-Projekt später an der OZK flächendeckend übernommen wird, ist noch offen», sagt die 35-jährige Lehrkraft.

Suche von 22 Praktikumsstellen
Für die Projektwoche mussten 22 Praktikumsstellen in Betrieben und sozialen Institutionen gefunden werden. Miriam Hess konnte dabei auch auf die Mitarbeit von Michael Raaflaub, Geschäftsführer des Vereins Lehrstellennetz Köniz, zählen. «Wir wollen dem Fachkräftemangel in den tech-
nischen und handwerklichen Berufen bewusst entgegenwirken, indem wir Frauen für diese Berufe begeistern», begründete Michael Raaflaub seine Motivation zur Mitarbeit.

Eveline Iannelli ist Projektleiterin des Vereins Schulprojekt Avanti. Sie unterstützte Miriam Hess bei der Planung ihrer Projektwoche. Am Abschlussabend richtete sie in ihrem Schlussvotum auch einen Appell an die Eltern der Schülerinnen und Schüler. «Ich bitte Sie, Ihre Kinder bei der Berufswahl zu ermutigen. Da sind Energie, Freude, Lust und auch Träume vorhanden. Und Träume sind der Motor für das Realisieren der beruflichen Laufbahn.»

«Es war cool, bei Haag-Streit zu drehen, zu fräsen, zu bohren und zu gravieren. Einzig das Rechnen im Hundertstel- und Tausendstel-Millimeterbereich machte mir Mühe. Dennoch würde ich eine spätere Schnupperlehre dort nicht ausschliessen», sagt Nadine Hofer und präsentiert stolz den selbstgefertigten Kerzenständer und das Mühlespiel.

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