«In der vierten Klasse hatte ich für den Ferienspass die Wahl: Ballett, Hip-Hop-Tanz oder Schwingen», erzählt Angela Riesen, «und die Entscheidung war klar, denn ich hatte immer gerne Schwingen geschaut.» Nach den ersten Versuchen trat sie dem Verein bei und besuchte vier Jahre lang das wöchentliche Training. Weil sie (als einziges Mädchen im Verein) das Gefühl hatte, nicht genug gefördert zu werden, wechselte sie darauf nach Thun, zu den «Berner Schwingerinnen», wo jeden Montag ein spezielles Mädchen-Training stattfindet. Seither hat sie viele Preise und «Zweige» gewonnen, die das Wohnzimmer dekorieren.
Fast nicht zu schlagen
«Letztes Jahr hatte ich noch zwei oder drei schwierige Gegnerinnen», sagt Angela. Die ersten Kämpfe gegen die Favoritin hatte sie im Schlussgang noch gestellt, die Anlässe wegen ihres Vorsprungs dennoch gewonnen. Gegen Ende der Saison legte sie aber auch diese Gegnerin regelmässig auf den Rücken und räumte in der Kategorie «Meitli 1» ab, was es zu gewinnen gab. 2017 und 2018 war sie in jedem Schlussgang anzutreffen, verlor lediglich einen Kampf. Der Ruf der Unbesiegbarkeit eilt ihr mittlerweile voraus: «Ich sehe meinen Gegnerinnen an, wenn sie ins Sägemehl kommen, dass sie an mir keine Freude haben.» Als direkte Vorbilder bezeichnet sie Jasmin Gäumann, die (aktuell verletzte) Dominatorin bei den «Aktiven» und die zweitplatzierte Diana Fankhauser, beide aus dem eigenen Verein. Nächstes Jahr wird sie selber zu den «Aktiven» wechseln und gegen erfahrenere Schwingerinnen antreten. «Das wird sicher härter», schätzt sie. Ihr Ziel ist, dennoch einen Kranz zu gewinnen, ihr Traum ein «Fülli», der Siegespreis bei einem «Eidgenössischen».
Hart im Nehmen
Die Berner Schwingerinnen sind bei den Frauen eine Macht: Die Jahreswertung der «Aktiven» wird gleich von drei Bernerinnen angeführt. «Und am letzten Wettkampf waren vier von ihnen auf den ersten Plätzen und mussten gegeneinander antreten», erinnert sich Angela. «Das war nicht so toll», meint sie, denn einer Teamkollegin einen Sieg zu schenken kommt nicht in Frage, auch wenn man sich gegenseitig unterstützt. Sie bezeichnet sich selber als sehr ehrgeizig: «Wenn ich mir etwas in den Kopf setze, ziehe ich es durch.» Das Ziel lautet, die restlichen Schwingfeste des Jahres zu gewinnen und damit auch die Jahreswertung. Dabei beweist sie, dass sie einstecken kann: «Im Training habe ich mir das Knie etwas verdreht.» Deswegen kürzer zu treten, kommt nicht in Frage. Schmerz und Schwäche zu zeigen ist tabu, da dies die Gegnerinnen aufbauen könnte.
Viel Aufwand für den Erfolg
Angela hat im Sommer die Schule abgeschlossen und Anfangs August ihre Lehrstelle als Fleischfach-Verkäuferin im Coop Schwarzenburg begonnen. Die Umstellung tangiert auch ihre Hobbies: Sie wird das Reiten reduzieren, das Schwingtraining jedoch weiter an zwei Abenden pro Woche besuchen. «Ich hatte Angst, dass ich das Schwingen aufgeben muss», gibt sie zu. Die Wettkämpfe finden in der gesamten Schweiz statt, der Aufwand ist entsprechend gross. Von Seiten ihres Lehrmeisters hat sie jedoch schon gehört, dass man sie unterstützen werde. Auch der Support ihrer Eltern ist ihr gewiss: Sie fahren sie zweimal pro Woche ins Training und an jedes Schwingfest.
Ein wenig zu denken gibt Angela die Situation beim Thuner Nachwuchs. 15 Frauen und Mädchen sind im Verein, aber bei den jüngsten fehlt die Basis: «Wir haben noch ein Mädchen mit Jahrgang 2006, die anderen sind alle älter. Es wäre schön, wenn sich mehr junge Mädchen für das Schwingen begeistern würden».