Auf politischem Weg fand Müller bisher wenig Gehör. Eine Motion mit dem Auftrag, der Gemeinderat solle ein Konzept erarbeiten, wie man die Freiwilligenarbeit besser unterstützen könnte, erhielt keine Mehrheit. «Die Angst, es könnte etwas kosten, war wohl zu gross», kommentiert er das Abstimmungsresultat.
Um die Sache, statt um die Ehre
Ein wenig enttäuscht war er schon, denn «es war damals einer meiner ersten Vorstösse im Parlament», räumt er ein. Der Hauptgrund für seine Enttäuschung sind aber in erster Linie all jene Menschen, die sich tagtäglich zum Wohle anderer einsetzen und kaum gesehen werden. «Solche Freiwillige sind die Perlen des Unspektakulären», beschreibt er. Menschen, denen es nicht um Ruhm und Ehre geht, sondern einzig und alleine um die Sache. «In einem Ehrenamt geht es ja – wie es der Name schon verrät – um Ehre. Das ist auch wichtig, aber da sehe ich weniger Handlungsbedarf, das ist ein Bereich, der funktioniert», grenzt er diesen Teil ab. Nicht prioritär die Würdenträger will er mehr wertschätzen, sondern jene, die sich im kleinen Rahmen und von der Öffentlichkeit unbemerkt einsetzen, dass es anderen besser geht.
Die Familie als Beispiel
Solche Menschen arbeiten oft im familiären oder nachbarschaftlichen Kontext. Aus diesem kommt auch Müllers Antrieb. «Man kommt immer von einer eigenen Geschichte her. In meiner Familie war Freiwilligenarbeit immer selbstverständlich», schätzt er. Diese kleine heile Welt kennen viele. Sie ist deshalb so heil, weil vieles aus Fürsorge geschieht. Dem gegenüber steht eine gesellschaftliche Tendenz, in der alles professionalisiert wird und Richtung Erwerb und Verdienst ausgerichtet ist. «Das bedaure ich. Klar sind Freiwillige vielleicht weniger perfekt, dafür sind sie direkt vor Ort und mit viel Herzblut dabei. Das möchte ich stärken», fasst er zusammen. Dass diese Arbeit den Gemeinden, Kantonen und sogar dem Bund viel Geld einsparen kann, ist für den Leiter der Personalgeschäfte der Berner Kantonalbank eine angenehme Nebenerscheinung, nicht aber das Hauptargument.
Könizer des Jahres
«Ich beobachte viele solcher tollen Menschen, ich sehe aber auch, dass es immer weniger werden. Es ist deshalb höchste Zeit, Gegensteuer zu geben», begründet er. Wie das vonstatten gehen soll, da zeigt sich Müller offen. Etwa, indem eine Könizerin und ein Könizer, der Verein oder sogar die Institution des Jahres auserkoren würde, lautet eine der Ideen. «Vieles ist möglich und es muss nicht über mich laufen. Ich wünsche mir einfach, dass ein Projekt oder eine Initiative zustande kommt, damit wir all die Freiwilligen besser wertschätzen können», ergänzt Müller. In seinen Worten schwingt ein wenig Hoffnung mit, dass diese Zeilen nicht vergebens sind und sich eine Gruppe zusammenfinden kann, die sich der Thematik annimmt und die Menschen würdigt, denen es weder um Ruhm noch um Ehre geht. Eine noble Sache, für die er gerne sein Netzwerk zur Verfügung stellen möchte.Der Schweizer Walter Fürst sagte einst: «Unsere Zukunft braucht so viele Helden, dass Heldentum bald zum Broterwerb wird.» Der Querdenker, der oft unter dem Pseudonym «Billy» Texte verfasste, sah die von Müller beschriebene Tendenz hin zur Professionalisierung kommen. Statt Helden der Freiwilligenarbeit zu Lohnempfängern zu machen, verdienen sie in erster Linie unser aller Dank. Genau das will Matthias Müller: danke sagen. Ein freiwilliges Dankeschön für die Perlen des Unspektakulären.
Sacha Jacqueroud