Pioniertat feiert Jubiläum

Pioniertat feiert Jubiläum

Lange vor vielen anderen Gemeinden erfreute sich das Dorf eines komfortablen Fernsehempfanges. Verantwortlich dafür war Viktor Colombo. Mit viel Erfindergeist und Risikobereitschaft hatte der Telekommunikations-Profi Neuenegg aus dem Funkschatten des öffentlichen Hauptsenders herausgeholt und für ein breites Fernseh- und Radio- Empfangsangebot gesorgt. Mit Genugtuung blickt er auf sein Werk zurück.

Zu Beginn des Fernsehzeitalters gab es gerade mal drei Sender; je einen für die Deutsch- und Westschweiz sowie für das Tessin. Beim Kauf eines Fernsehapparats wurde eine Zimmerantenne mitgeliefert. Für diese galt es, erst mühsam den optimalen Standort zu finden, bis ein einigermassen akzeptables Bild ins Wohnzimmer flimmerte. Einen störungsfreieren Empfang lieferte nur eine auf dem Hausdach montierte grosse Empfangsantenne. Die Dächer vieler Ortschaften waren durch einen dichten Antennenwald richtiggehend verunstaltet. Dieser Zustand hielt bis weit in die 1980er-Jahre in den meisten Gebieten der Schweiz an. Nicht so in Neuenegg. Dort waren bis zum Ende der 1960er-Jahre fast alle Haushaltungen an ein Kabelnetz angeschlossen, von dem gleich mehrere verschiedensprachige Programme empfangen werden konnten, auch aus dem Ausland. Dabei sah es für Neuenegg zu Beginn des Fernsehzeitalters alles andere als rosig aus. Der Hauptsender für das bernische Mittelland stand auf dem Bantiger. Weil die Erhebung des Landstuhls das Ost-West-gerichtete Sensetal abschirmte, konnten die Signale dieses Senders im Dorf Neuenegg nicht oder nur sehr schlecht empfangen werden.

Revolutionäre Neuerung
Diese Situation rief den neu zugezogenen HTL-Ingenieur Viktor Colombo auf den Plan. Er, ein gewiefter Telekommunikationsspezialist (vgl. Kasten), und sein neu erbautes Haus ohne Fernsehempfang? Das durfte nicht wahr sein! 1965 wurde vom Dorf zu den nördlich gelegenen Häusern auf dem Landstuhl eine Telefonleitung verlegt. Das brachte ihn auf die Idee, im Kabelgraben gleichzeitig ein Koaxialkabel zu verlegen und auf dem Landstuhl eine Fernseh- und Radio-Empfangsstation zu bauen. Dies war der Start zu einem Kabelverteilnetz für das ganze Dorf. Die Signale wurden mittels neu entwickelter Röhren-, später Transistor-Verstärkern, nach Neuenegg geleitet. Weltweit erstmalig war die Zuleitung mehrerer verschiedensprachiger Fernseh- und Radioprogramme. Eine wahre Pioniertat! Viktor Colombo erhielt schweizweit die erste Konzession für eine Signalverteilung über öffentlichem Grund zur Versorgung mehrerer voneinander unabhängiger Liegenschaften. Von der damaligen PTT konnte Colombo kostenlos einen alten Gittermast übernehmen, den er auf dem Landstuhl eigenhändig wieder zusammenschraubte.

Risiken und Rückschläge
In dieses Projekt investierte er zunächst einige tausend Franken aus der eigenen Tasche und ging erhebliche Risiken ein. Die Empfangsqualität auf dem Landstuhl konnte aus Zeitgründen nicht vorgängig erprobt werden. Auch über den Effekt der jahreszeit-
lichen Temperaturschwankungen bestanden noch keine Erfahrungen. Daneben galt es, eine Reihe komplexer technischer Probleme zu lösen, die auch renommierte Lieferfirmen wie den Siemens-Konzern zu Innovationen zwangen. Aber gerade solche Unbekannte stachelten Colombos fachliche Neugier an. Er investierte weiterhin viel Geld und Freizeit in dieses Projekt. Schritt für Schritt konnte er fast alle Gemeindegebiete an das Kabelnetz anschliessen. Für einen ersten Bankkredit beanspruchte er die Fürsprache des Gemeindepräsidenten, der ihm voll vertraute. Zu verkraften gab es auch Rückschläge, so zum Beispiel als in einem Sturm eine Tanne die Empfangsstation schwer beschädigte. Technische Probleme zwangen bald zu einer Neuverlegung der Kabel und zu einem Neubau der Empfangsanlage. Die Erweiterung des Kabelnetzes und die rasante technologische Entwicklung brachten die Empfangsanlage auf dem Landstuhl an ihre Grenzen. 1973 wurde deshalb mit finanzieller Unterstützung der Muster Radio TV AG, Flamatt, auf der Anhöhe von Geretsried (Gemeinde Ueberstorf) eine modernere Empfangsanlage errichtet. Zum Einsatz kam auch diesmal ein von der PTT nicht mehr benötigter 50 Meter hoher Gittermast. Bei dessen Aufbau legte Viktor Colombo erneut selber Hand an. Über das Kabelnetz konnten 18 Fernsehkanäle empfangen werden. 25 Jahre nach deren Start zählte das Netz bereits über 1000 Anschlüsse. 1990 verkaufte Colombo seinen Anteil am Kabelnetz der Muster Radio TV AG, welche dieses 1996 an die UPC Cablecom abtrat. Mit der fortschreitenden Digitalisierung wurde die inzwischen aus Glasfasern bestehende Signalzuführung laufend modernisiert und erweitert.
Dass die Neuenegger lange vor vielen anderen Gemeinden über einen komfortablen Fernseh- und Radioempfang verfügten, verdanken sie dem Pioniergeist und der Hartnäckigkeit von Viktor Colombo.

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