Trotz seinen vielseitigen Interessen strebte Heinz Nacht nie ein Amt in der Politik an. Zwar war er durch sein Elternhaus und seinen Vater, der für die SVP im Berner Stadtrat sass, durchaus nah am Geschehen, allerdings erlebte er Politik damals eher negativ. Dass er sich heute selbst für die SVP engagiert, habe mit seiner Herkunft aber nicht viel zu tun. «Mit meinen Ideen bin ich wahrscheinlich der linkeste Rechte», witzelt der frischgewählte Parlamentspräsident. «Die Frage ist aber immer, wo man etwas bewirken kann. Denn schlussendlich erreicht man nur etwas, wenn man zusammenarbeitet», erklärt er seine Haltung. Bewirken wollte Nacht ursprünglich in Vereinen etwas, nicht in der Politik. Dort liegt denn auch der Hund begraben. «Mein grösstes Problem ist, dass ich mich immer gewehrt habe, wenn mir etwas nicht passte. Und sobald man sich in einem Verein wehrt, hat man ganz sicher ein ‹Ämtli›!», lacht er.
Ungeplante Wahl
Zu seinem Sitz im Gemeindeparlament kam er vor einigen Jahren beinahe wie die Jungfrau zum Kinde. Er kam als Letzter auf die SVP-Liste, notabene als Lückenfüller und nicht, um gewählt zu werden. «Ich war in den Ferien, machte keine Werbung und verpasste den Wahlkampf komplett», erinnert sich der Familienvater, «und dann hiess es: ‹du bist gewählt›.» Plötzlich war er mittendrin im Geschehen. Die anfängliche Ehrfurcht, die er gegenüber den erfahrenen Politikerinnen und Politikern hatte, verflog rasch. Der Schritt zum Parlamentspräsident kommt heute nicht überraschend. «Ich bin mittlerweile einer der Amtsältesten und war im richtigen Augenblick am richtigen Ort», erzählt Nacht. Wie das Engagement im Parlament wird auch dessen Präsidium nicht nur einfach. «Ich entscheide gerne selbst», meint er selbstkritisch, «es ist hart, wenn eigene Überzeugungen nicht durchkommen.» Verlieren sei nicht seine Stärke. Nach mühsamen Sitzungen gibt es für ihn nur eins – ab aufs Velo und den Kopf durchlüften.
Mit der Zeit gehen
Obwohl sich Freude und Respekt vor der neuen Aufgabe mischen, ist Nacht zuversichtlich, da er auf ein starkes Team im Hintergrund bauen kann. Heinz Nacht hat viele Ideen, was im Parlament alles anders werden könnte. So fühlt er sich der Tradition nicht verpflichtet, dass die Sitzungen immer mit einem Sinnspruch eröffnet werden. Musik sei ihm näher als Poesie, deshalb möchte er es neu mit thematisch passenden Liedern versuchen. Zudem sei die Zeit reif, um auf modernere Techniken umzusteigen und längst fälligen Neuerungen wie Beamer und Powerpoint Eintritt ins Sitzungszimmer zu gewähren. «Man muss mit der Zeit gehen», betont Nacht.
Auch kann er sich vorstellen, seine erste Sitzung als Präsident in voller Kaminfegermontur abzuhalten und Glückstaler zu verteilen. Das sei ein wichtiger Teil von ihm und seiner Geschichte. Dass Kaminfeger nach wie vor als Glücksbringer gelten, ist bestimmt ein gutes Zeichen. Für Nacht selbst ist Glück ein grosses Wort. Sein Motto lautet denn auch «Schwein gha u Sorg ha». «Wir haben das Privileg, hier zu sein, hier geboren worden zu sein. Zu diesem Glück will ich Sorge tragen», sinniert er.
Rund um die Welt
Auf seinen Reisen durch die ganze Welt hat er viel gesehen und gehört. Seine Eindrücke probiert er denn auch zu vermitteln. «Ich höre auf das Herz, Geld und Business müssen nicht immer zuoberst stehen.» Geld allein mache nicht glücklich. An seinem eigenen Glück arbeitet der passionierte Kaminfeger, sein grösstes Glück sei aber die Familie. Besonders stolz ist er auf seine Kinder. Sein Sohn hat ebenfalls Kaminfeger gelernt und führt die Tradition in der siebten Generation weiter, seine Tochter ist studierte Maschineningenieurin. Zusammen mit seiner Frau bildet Nacht ein eingespieltes und starkes Team, das positiv auf die neue Aufgabe blickt und gemeinsam grosse Reisepläne schmiedet. «Irgendwann von hier bis Australien fahren mit dem Camper», strahlt Heinz Nacht, «das wär’s!» Das ganz grosse Glück.