13 Uhr. Per Zufall sitze ich (erst seit drei Wochen als PR-Assistent bei der Suchard-Tobler «unter» PR-Boss Hans Schneider im Amt) um diese Zeit ausnahmsweise nicht beim Kaffee, sondern in meinem Büro an der Berner Länggass-Strasse. Beim Klingeln des Telefons deutet noch nichts darauf hin, dass sich
Aussergewöhnliches abspielen wird. «Bornhauser». Am anderen Ende «öpper», dessen Französisch ich beim besten Willen nicht verstehen kann, auch im dritten Anlauf nicht. «Excusez-moi, don’t you speak English?» Er tut, il fait, he does.
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Es ist irgendeine saudiarabische Vertretung in Genève. «Ihre Exzellenz, die Prinzessin Mounira-ben-Feisal aus Saudi Arabien, zurzeit in der Schweiz und Liebhaberin ihrer Toblerone, möchte die Fabrik besichtigen, morgen, um diese Zeit», kommt aus der Hörmuschel gesprochen. Vor Ehrfurcht stehe ich auf und nehme eine Art geistige Achtungsstellung ein. «Selbstverständlich geht das, wir freuen uns auf Ihre Exzellenz», bekommt der Mann zu hören. Und ganz gleich, was immer auf dem Programm des kommenden Tages stehen mag: Für eine saudiarabische Prinzessin sage ich (damals noch Junggeselle) alles zu und ab.
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Insgesamt dreizehn Personen werden die Suchard-Tobler beehren. Damit Durchlaucht mit ihrem Tross genügend Parkplatz vor unserem Besucherraum hat, wird abgesperrt. Punkt 12.15 Uhr stehe ich, der ich sonst nie eine Krawatte trage (dafür damals einen Bart), im Hochsommer fein «gschalet» bereit, laufe wie ein Tiger im Käfig auf dem Trottoir vor dem Besucherraum hin und her. Exakt 13.04 Uhr biegen schwarze Limousinen in den Lerchenweg zu Bern ein. Ich stolpere schier, wie ich die Halteverbotstafeln zur Seite räume, damit die Herrschaften problemlos parkieren können. Die Türen der Wagen gehen auf. Überall fremdländische Menschen. Und wo ist Ihre Exzellenz, die Prinzessin Mounira-ben-Feisal?
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«Your Exzellency, Princess Mounira», wird SIE mir vorgestellt. Bildhübsch, wahnsinnig hübsch sogar, schwarzes Haar mit güldenen Fäden durchzogen. Mit ihr der gesamte königliche Begleit-
tross, zwölf Personen: Gouvernante, zwei Leibwächter, Chauffeure, Coiffeuse, Kinderpädagogin, Dolmetscher, Chindermeitli und Beigemüse. Ich versinke vor Ehrfurcht beinahe in den Boden. Übrigens, die Prinzessin, damit Sie Bescheid wissen, ist ganze zwölf Jahre alt. Und eine der vielen Enkelinnen von König Feisal von Saudiarabien. Alles klar?
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Im Besucherraum verdrängt der Duft von schwerem französischem Parfum die Schoggi-Wolke. Derweil plagen Bo allerdings ganz andere Sorgen: Eine Prinzessin als Besucherin, als Ehrengast, ist an sich schon ungewohnt, was aber mit einer zwölfjährigen Prinzessin anstellen? Weder Allah noch Barbara Siegenthaler können weiterhelfen. Ganz recht, Sie haben durchaus richtig gelesen: Es handelte sich um jene Barbara Siegenthaler, die später mit mir zusammen jahrelang bei der Migros in Schönbühl gearbeitet hat, sie war schon damals bei der Suchard-Tobler «Frau Kollega». Never change a winning team, besagt ein englisches Sprichwort, wechsle niemals ein erfolgreiches Team (Selbstvertrauen ist das halbe Leben). Barbara ist inzwischen ebenfalls pensioniert.
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Der gesamte Zirkus besichtigt die Schoggifabrik. Unterwegs haue ich einen um zwei Köpfe kleineren, untersetzten Bodyguard an, ob er denn überhaupt bewaffnet oder blosse Verzierung sei. Lässig lächelnd öffnet er den Kittel und zeigt seine Ausrüstung. Mama mia… 007 würde vor Neid erblassen. Arme kleine Prinzessin: Nie darf sie bei den Degustationsständen als Erste naschen, immer probiert zuerst eine Vorkosterin und schnappt ihr dabei die gluschtigsten Stückli vor der Nase weg. Merke: Alkoholhaltige Köstlichkeiten haben wir schon gar nicht aufgestellt.
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Zurück im Besuchersaal werden diplomatische Nettigkeiten und Geschenke ausgetauscht. Die gewöhnlich Sterbenden erhalten eine 400-Gramm-Toblerone, dem Anlass entsprechend in einem goldenen Wickel verpackt. Prinzessin Mounira zusätzlich eine riesige Schachtel Pralinés. Noblesse oblige schliesslich. Im Gegenzug steckt der lustige Fratz allen Gastgebern (Hostessen, PR-Leuten, anwesenden Journalisten) diskret zwar keinen Barrel Rohöl, wohl aber einen neutralen Briefumschlag zu. Wie die Wagenkolonne die Länggasse in Richtung Genève wieder verlässt, öffne ich ganz verschämt mein Couvert. Ihre Exzellenz hat mich für 500 Franken cash würdig befunden. Durchlaucht, beehren Sie uns recht bald wieder!