Mit ihren Eltern und drei Geschwistern wächst Regula Niklaus in Thun auf. Schon früh faszinieren sie Farben und Strukturen in der Natur. Sie erinnert sich an eine Kopie des Bildes «Burg und Sonne» von Paul Klee, das in ihrem Kinderzimmer über dem Bett hing. Sie bestaunte es stundenlang und studierte die Farben sowie die Formen. Die Kunstaffinität ihrer Eltern prägte sie, doch als sie als Jugendliche beruflich den künstlerischen Weg einschlagen will, endet deren Begeisterung. Die Könizerin begann auf Druck der Eltern das Lehrerinnen-Seminar. Nach einem Zwischenjahr in Portugal, wo sie in einem Entwicklungsprojekt mitwirkte, brach sie das Seminar nach vier Jahren ab. «Die Erfahrungen in Portugal haben mich sehr bewegt. Ich wollte mehr über das Leben erfahren. Mir wurde klar, dass ich dies in der Schule nicht konnte», begründet sie ihren Entscheid.
Auf der Suche nach dem Glück
Dank Gelegenheitsjobs und der finanziellen Unterstützung ihres Onkels absolvierte Regula Niklaus den einjährigen Vorkurs in der Schule für Gestaltung in Biel. Mit 23 Jahren kam ihr erster Sohn auf die Welt und gab ihrem Leben eine neue Richtung. Doch die Leidenschaft zur Kunst blieb. «Mein Credo ist: immer ‹dranne blibe›», sagt die vierfache Mutter entschlossen und ergänzt schmunzelnd: «Ich fand immer irgendwo ein stilles Kämmerchen, in das ich mich zum Malen zurückziehen konnte.» Zwei Jahre später folgte die erste Ausstellung. Die positiven Rückmeldungen spornten sie weiter an. Sie machte eine Ausbildung zur Malpädagogin und gab mit viel Freude Kindermalkurse.
Immer wieder zog es Regula Niklaus ins Ausland. Zusammen mit ihrem Mann und den Kindern lebte sie für zwei Jahre in Afrika und unterrichtete Malen im Rahmen eines Entwicklungsprojektes in Burundi. «Das einfache Leben faszinierte mich. Ich wollte wie die Einheimischen leben. Nur so konnte ich von ihnen lernen und ihre Kultur verstehen», erzählt die zierliche Frau begeistert. Die Arbeit ihres Mannes führte die Familie weiter nach Mexiko, wo sie drei Jahre lebten. Doch dann nahm das Familienglück sein Ende und die Ehe brach auseinander.
In all den Jahren stellte Regula Niklaus ihre Beharrlichkeit immer wieder unter Beweis. Als alleinerziehende Mutter arbeitete sie Teilzeit in einem Bioladen und half auf dem Wochenmarkt aus. Oft fehlte ihr die Energie gestalterische Projekte umzusetzen. «Das war eine schwierige Zeit, ich war geplagt von Zweifeln und finanziellen Sorgen», erinnert sich Regula Niklaus und meint stirnrunzelnd: «Bis heute fällt es mir schwer mit dem Druck umzugehen.» Doch gerade die Herausforderungen der verschiedenen Lebensphasen und die Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit waren für sie eine Quelle der Inspiration. Niklaus lässt sich bei ihrem künstlerischen Schaffen von ihrer Intuition leiten. Tiefgang und eine philosophische Auseinandersetzung im universellen Kontext spielen für sie eine zentrale Rolle. Kreative Pausen macht sie auf ihren Spaziergängen in der Natur, wo sie sich von den Strukturen im Mikrokosmos inspirieren lässt.
Besser jetzt als nie
Gestützt und gefördert durch ihr Umfeld findet die Künstlerin nach und nach mehr Selbstvertrauen und ihr feines Wesen lässt sie erstrahlen, wenn sie über ihre Passion spricht: «Wenn ich der Kunst Energie gebe, kommt Kraft heraus und etwas Neues entsteht – das sind Glücksmomente für mich.» Die 56-Jährige hat den Zugang zu ihrer Bestimmung gefunden. Ihre Erfolge wie etwa die Mitgestaltung beim Fahnenprojekt letztes Jahr im Liebefeldpark oder die aktuelle Bilderausstellung «Inspiration Yijing – eine Bildreise durch die Wandlungsphasen» im Schloss Holligen in Bern motivierten sie. «Endlich kann ich zu meiner Kunst stehen», meint Regula Niklaus, atmet einmal tief durch und lächelt zufrieden.
Helene Wieland