Dienstag, 21. Februar 2023. Vor der neuen Ausbildungshalle treffe ich auf 14 gutgelaunte Spitzenschwinger in ihren schwarz-rot-weissen Trainingsanzügen der Schweizer Armee. Sie kommen vom Warm-up und einer Krafttrainings-Einheit. Unter ihnen klingende Namen wie Alpiger Nick, Aeschbacher Matthias, Glarner Matthias, Schwingerkönig von 2016 in Estavayer, Wicki Joel, Schwingerkönig von 2022 in Pratteln, Staudenmann Fabian, Schwander Severin, Wiget Michael, Moser Steven, Gnägi Florian und Walther Adrian. In der Schwinghalle findet für sie bis am Mittag das eigentliche Schwingtraining statt. Und wie. Schwingspezifisches Aufwärmen sowie Übungen zu Beweglichkeit, Schnelligkeit und Koordination bringen die Spitzenathleten auf Wettkampftemperatur. Bei «Super Mario» liegen drei Schwinger bäuchlings nebeneinander auf dem Boden im Sägemehl. Auf Pfiff des Trainers springt ein äusserer Schwinger auf, währenddem sich die beiden andern achsial seitwärts voneinander abdrehen. In die sich öffnende Lücke landet nun der aufgesprungene Schwinger. Das «Spiel» wiederholt sich in horrendem Tempo in mehreren Durchgängen. Da wird einem schon beim Zusehen schwindlig. Für die Schwinger ist es eine harte Kraft- und Koordinationsübung, aber sie macht ihnen sichtlich Spass.
Beim Schwingtraining kämpft jeder gegen jeden rund drei Minuten lang auf Wettkampfniveau. Das ergibt rund 40 Kampfminuten mit 13 unterschiedlichen Schwingpartnern. Danach gibt’s fünf Minuten angeordnete «Trinkpause» durch Coach Glarner Matthias. Der 38-Jährige aus Bönigen übt seit drei Jahren im WK eine Doppelfunktion aus. Er bestreitet seine WKs bei der Schweizer Armee und ist zugleich Coach der Schwinger auf Mandatsbasis des Eidgenössischen Schwingerverbandes (ESV). Seine bodenständige, ruhige und besonnene Art kommt bei den Schwingern gut an. Zusammen mit Werner Christen und Lena Göldi zählt er zum Kurskader. Der 62-jährige Ex-Schwinger Christen aus Stans, J+S-Ausbildungsverantwortlicher beim Eidgenössischen Schwingerverband und beim Eidgenössischen Nationalturnerverband erarbeitet Kursunterlagen und leitet die J+S-Kurse (Jugend und Sport). «Die Schwinger sind bereits im Besitz des J+S-Grundkurses Schwingen. Beim Kurs ‹Vertiefung 1› handelt es sich dieses Jahr um ein Pilotprojekt. Später folgt der Kurs ‹Vertiefung 2›. Anschliessend können sich die Schwinger entscheiden, ob sie Richtung Trainer oder J+S-Experte weitermachen. Ziel ist eine Win-Win-Situation für Schwinger, Schwingerverband und J+S», so Christen.Die 43-jährige ehemalige Judoka Lena Göldi war Olympiateilnehmerin in Athen 2004 und ist mehrfache Schweizermeisterin. Beim BASPO ist sie Ausbildungsverantwortliche J+S für einen Teil der Kampfsportarten wie Schwingen, Nationalturnen, Karate, Judo, Ju-Jitsu, Ringen und Light Contact Boxing.
Nach der Trinkpause geht es in zwei Gruppen weiter. Eine Gruppe übt die verschiedenen Schwünge gemäss J+S Lehrmittel unter Christen. Dabei können sie sich die Schwünge auf einem grossen Monitor einprägen. Die andere Gruppe kämpft weiter jeder gegen jeden. Nach 15 Minuten wechseln die beiden Gruppen. Um 11.30 Uhr ist Trainingsschluss. Die Schwinger sind nassgeschwitzt. Zwei Athleten wischen den Betonboden vom Sägemehl sauber, derweil andere, inklusive Ausbildungsleiter Glarner, die 400 Quadratmeter grosse Sägemehlfläche mit Rechen wieder ausebnen. Nach dem Duschen und dem ordentlichen Aufhängen der Schwingausrüstung, wie sich das in der Armee gehört, geht es zum Mittagessen, das mehr als verdient ist.
Ein Gewinn für alle
Am Standort Magglingen des BASPO werden jedes Jahr hunderte J+S Expertinnen, Trainer und Sportstudierende aus- und weitergebildet. Die im Oktober 2022 in Betrieb genommene Ausbildungshalle ist für sie sowie alle Athletinnen und Athleten ein Gewinn. Die neue Dreifach-Halle kann als Ganzes genutzt oder durch zwei mobile Trennwände räumlich und akustisch in drei Einzelhallen aufgeteilt werden. Schulungs- und Massageräumlichkeiten ergänzen das Angebot. Die im unteren Geschoss angelegte Schwinghalle dient das ganze Jahr über der Ausbildung und dem Training der in Magglingen stationierten Athleten. Zurzeit wird die Schwinghalle noch mit einer grosszügigen Boulderanlage versehen. «Mit der neuen Schwinghalle fallen für die Schwinger, die in Magglingen ihren Spitzensport-WK ausüben, für das Techniktraining, also das Schwingen, die Fahrten in die Schwingkeller der Region, nach Solothurn, Biel oder Aarberg weg. Das ermöglicht jetzt an gewissen Tagen zwei Schwingtrainings oder zwei Krafttrainingseinheiten in der Halle ‹End der Welt›. Zudem bleibt mehr Zeit für die Regeneration», erklärt Marco Mudry, Oberst im Gst und Kommandant Kompetenzzentrum Sport Armee.
Steigende Nachfrage
«Über alle Sportarten betrachtet waren es im Jahr 2020, während der Pandemie, 209 Athletinnen und Athleten, die Spitzensport-WK-Tage für Training und Wettkämpfe geleistet haben und mit Sold und Erwerbsersatz entschädigt wurden. In den Jahren 2021 und 2022 waren es 253 respektive 276 Sportsoldaten, die dieses Gefäss in Magglingen genutzt haben. Dieses Jahr dürften es über 300 sein», schätzt der 48-jährige Kommandant. In diesem Winter haben 25 Schwinger, in der Periode zwischen Anfang Dezember bis Ende März, in Magglingen im Schwingkeller der neuen Ausbildungshalle trainiert. Mit Walther Adrian und Schlegel Werner absolvierten zwei Athleten die Spitzensport-RS 2/2022, die von Ende Oktober bis Mitte März dauerte. Die übrigen Schwinger sind, wie Glarner Matthias, militarisierte Sportsoldaten. «Die erste offizielle Spitzensport-RS nach der heutigen Form wurde 2004 durchgeführt. Zuvor gab es seit 1999 den Spitzensportler RS-Lehrgang. Damals weilten die Rekruten nur sechs Wochen in Magglingen, die übrige Zeit absolvierten sie die RS bei ihren zugeteilten Einheiten. Die ersten Schwinger rückten im Herbst 2012 in Magglingen ein. Damals waren es mit Wenger Kilian, Schwingerkönig 2010 in Frauenfeld, allerdings nur insgesamt acht Athleten», so Mudry. «Die Schwinger leisten ihren drei Wochen dauernden WK nicht an einem Stück. Die Intensität wäre zu gross, die Athleten würden ermüden und die Qualität des Trainings dadurch vermindert. Deshalb ist nach jeder WK-Woche eine Pause von einer Woche oder mehr eingeplant», erklärt Glarner.
Unter der Leitung von Werner Christen und Lena Göldi findet am Nachmittag ein Theorieteil statt. Thema: «Erscheinungs- und Trainingsformen im Schwingen». Eine Fragestellung war: «Was muss man beim Krafttraining mit Jugendlichen beachten?» Dazu baute Christen auch eine Gruppenarbeit ein.
In der Turnhalle vermittelte Lena Göldi anschliessend den Athleten mit praktischen Beispielen sportartenübergreifende Bewegungs- und Spielgrundformen mit den Akzenten Kraft, Explosivität und Schnelligkeit, die sie trainieren können. Nach dem Abendessen orientierte Christen während anderthalb Stunden über die neusten Innovationen des Eidgenössischen Schwingerverbandes (ESV) und des BASPO. Damit war um 21.30 Uhr das vollgepackte Tagesprogramm erfüllt. Mit wenigen Ausnahmen findet nach jedem Abendessen noch eine Theorie-Sequenz statt.
Was sagen die Schwinger?
«Es ist für uns ein grosses Privileg, dass wir an die Spitzensportförderung der Armee angegliedert sind. Es gibt uns die Chance, für gewisse Zeit dem Spitzensport alles unterzuordnen und an nichts anderes zu denken. Neben dem Schwingsport sind wir ja alle auch berufstätig», so Schwander Severin. Staudenmann Fabian schliesst sich dem an. «Die Wochen hier oben sind sehr wertvoll. Mit wechselnden Trainingspartnern auf höchstem Niveau zu trainieren ist im Hinblick auf die neue Saison sehr aufschlussreich. Zudem muss ich keine Wohnung putzen und nicht kochen, kann duschen und mich für ein feines Essen an den Tisch setzen, das ist für mich auch Qualität, ergänzt er. «Mit dem Absolvieren der RS hatte ich eine längere Zeit, wodurch ich mein Schwingtraining etwas anders ausrichten konnte. Es ist tipp-topp hier und ich bin sehr dankbar für diese Zeit», sagt Walther Adrian
Nach meinem Besuch in Magglingen fand am Samstag das Hallenschwinget in Büren an der Aare statt. Im Schlussgang ging der Guggisberger Staudenmann Fabian gegen den Habstetter Walther Adrian als Sieger hervor. Walther mit Rang 4a ebenfalls mit Auszeichnung. Somit kann man sagen: «Effizientes Schwingtraining mit Erfolgsaussichten!»
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