Ich schlendere an der malerischen Promenade entlang. So ein süsses kleines Hafenstädtchen, denke ich, und schaue den Wellen zu, die am Hafenufer emporzüngeln wie kleine Flammen. Die Wärme der Sonnenstrahlen fühlt sich angenehm auf meiner Haut an, der Duft des Meeres lässt meine Nasenflügel kribbeln und in meinen Ohren hallt das Kreischen der Möwen: Ferienstimmung pur. Nun fehlt nur noch der kitschige Sonnenuntergang, welcher sich auf den herausgeputzten Kähnen rosarot spiegeln kann. Diese Szenerie spielt sich lieblich zu meiner rechten Seite ab und hätte ich mich nicht dazu hinreissen lassen, den Kopf zu drehen und die Kulisse zu meiner Linken genauer in Augenschein zu nehmen, ja dann…
Mag man es bunt, so wie ich, ist auf den ersten Blick nichts auszusetzen. Laden an Laden, Theke um Theke, reihen sich die wildesten Warenauslagen aneinander und geben ein lebhaftes Bild ab. Neugierig zieht es die flanierenden Weitgereisten in die Shops, welche allerlei Dinge anbieten, die die Welt nicht braucht. Ob nett gemeinte Souvenirs, welche den Daheimgebliebenen ein entnervtes Augenverdrehen entlocken, Schmuck mit Allergiegarantie oder einheimische Spezialitäten, welche sich beim genaueren Hinsehen als Lokal-Attrappe entpuppen: Die Auswahl ist riesengross.
Doch was mir am meisten auffällt, ist natürlich das Angebot an Mode. Kleider, wohin das Auge reicht. Fashion, welche die Herzen der Kundschaft höherschlagen lässt, denn so günstig gibt’s das zu Hause also nicht. Schnäppchen über Schnäppchen, lieblose Fake-Labels welche sich zu Polyesterbergen türmen. Vollbepackte Plastikbeutel verlassen die Läden, werden stolz nach Hause getragen und der Inhalt wird wahrscheinlich in diesen Ferien ihren einzigen Auftritt haben. Mir wird im wahrsten Sinne des Wortes übel und in meinem Herzen gibt es einen Stich.
In diesem Moment fühle ich mich seit langem wieder einmal entmutigt und ich stelle meine Arbeit in Frage. Was bringt es, mit einer Boutique wie der meinen unterwegs zu sein? Was bringt dieser kleine Tropfen auf den heissen Stein, wenn Fast Fashion das normalste der Welt ist? Meine kleine Reichweite – ist diese vergebene Mühe? David hat zwar gegen Goliath gewonnen – doch ist dies in der Textilindustrie überhaupt möglich? Mit kreisenden Gedanken laufe ich durch das Städtchen, welches gerade unverdienterweise an Glanz verloren hat.
Doch dann wird mir erneut ganz klar: Lieber bin ich der Tropfen als der heisse Stein! Es kommt nicht in Frage, dass ein solcher Moment mich entmutigt. Im Gegenteil: Er motiviert mich, es stets mit bestem Gewissen anders zu machen und für meine Werte einzustehen. Jawohl! Und zwar nicht in Kampfeshaltung – aber mit liebevollem Blick auf das, was ist und mit dem Fokus auf das, was sein kann. Und wenn viele Tropfen auf den heissen Stein perlen, ja dann, dann wird es einmal einen Tropfen geben, der nicht mehr verdampfen wird.
Und wo bist du lieber der Tropfen als der heisse Stein? Schreib mir doch, ich würde mich freuen, von dir zu lesen.
Deine Christine