…und jetzt?

…und jetzt?

Es ist nun an der FDP und der SVP konkrete, mehrheitsfähige Vorschläge zu machen, wie die Finanzprobleme der Gemeinde behoben werden können», kommentieren SP, glp, EVP, die Mitte und die Grünen. «Man muss aufpassen, dass in einer erneuten Vorlage mit Steuererhöhung die Bevölkerung diese nicht als Erpressung aufnimmt», kontert die Gegenseite. Und wie soll es nun weitergehen?

Eine besinnliche Adventszeit oder geruhsame Weihnachtstage sind für den Gemeinderat gestrichen. Fast 70% der Stimmberechtigen gingen an die Urne und haben mit 57,7% Nein zum Budget 2022 gesagt. «Wie weiter» ist nun die Frage, die in erster Instanz der Gemeinderat beantworten muss. «Wir müssen dem Parlament ein neues Budget vorlegen. Das Parlament wird dieses im Februar 2022 beraten», erläutert Gemeindepräsidentin Annemarie Berlinger-Staub den Fahrplan. Mit anderen Worten: Köniz startet ohne Budget und mit leerer Kasse ins neue Jahr.

Neues Budget
Entsprechend positionieren sich die Parteien mit Lösungsvorschlägen im Abgang der Abstimmung und im Vorfeld der erneuten Budgetdebatte. Das überparteiliche Aktionskomitee «Ja zu Köniz» zeigte sich in einer Medienmitteilung enttäuscht über das Resultat und schlussfolgerte: «Die Ablehnung löst keine Probleme, sondern schafft neue. Wenn keine neuen Lösungen vorliegen, die ausreichend und mehrheitsfähig sind, ist damit zu rechnen, dass die Könizer Stimmbevölkerung erneut über ein Budget mit Steuererhöhung abstimmen muss.» Konkret äusserte sich die Mitte und schlägt in einer Medienmitteilung vor, die Steuererhöhung lediglich auf 1,54 anzuheben, befristet auf zwei Jahre.

Die Wunderlösung
Der Vorschlag der Mitte bedingt, dass all die Forderungen der bürgerlichen Parteien parallel umgesetzt werden und zeitlich sofort greifen. Deshalb spricht die Mitte von einer «Eruierung des aktuellen strukturellen Defizits». David Müller von den Grünen ist da skeptisch: «Eine Steuererhöhung ist bei genauer Betrachtung unumgänglich.» Kurzfristige anderweitige Lösungen sieht er nicht. «Eine befristete Steuererhöhung als einziges Instrument vorzulegen, ist beim Volk offensichtlich und wiederholend nicht mehrheitsfähig», stellt Dominic Amacher (FDP) fest und ergänzt: «Es braucht dringend Visionen und Strategien.» Nur sieht er weniger das Parlament oder einzelne Parteien in der Pflicht, sondern den Gemeinderat.

Heikles Terrain
Erschwerend kommt hinzu, dass nur noch «für die Gemeinde unerlässliche Ausgaben getätigt werden können», gibt die Präsidentin zu bedenken. Das ist die Konsequenz daraus, wenn man ohne Budget in ein neues Jahr startet. Die Exekutive diskutiert nicht nur das neue Budget, sondern muss fast zeitgleich definieren, was nun wirklich «unerlässliche Ausgaben» sind. Wenn man nun die Liste der freiwilligen Leistungen zückt, heisst das, nur wo Leistungsvereinbarungen existieren, werden diese fortgesetzt. Das ist gar nicht so klar, wie es scheint, denn: Verträge können gekündigt werden. Es gibt kantonale Vorgaben, die als Rahmenbedingungen gelten, den Einzelfall aber, den muss der Gemeinderat anschauen.

Im Wechselspiel
Die gewichtigen Einträge auf dieser Liste, wie etwa die Bibliothek, liegen zusätzlich in der Kompetenz des Parlaments. Zudem muss dieses den erneuten Budgetvorschlag absegnen. Der Finanzkommission kommt da eine tragende Rolle zu. Gemeinderat und Parlament haben die Aufgabe erneut über die Bücher zu gehen, die bereits einige Eselsohren haben, weil sie schon so oft durchgeblättert wurden. Genauso vergilbt und verbraucht sind die Blätter mit der Idee, Liegenschaften zu veräus­sern. Kurzfristig bringt das Geld und vertagt die Finanzprobleme. Ein kleines Zeitfenster mit einem teuren Preis, welches im Parlament sicherlich keine einhellige Meinung finden wird.

«Und jetzt?» Zusammenraufen und zusammenarbeiten statt ruhige Festtage, heisst die Devise. Der Kanton steht noch nicht unter dem Türrahmen des Gemeindehauses. Wenn aber ein überarbeitetes Budget erneut keine Mehrheit findet, dann wird er einschreiten, wahrscheinlich mit einer Steuererhöhung im Schlepp. Das dürfte im Herbst 2022 dann erneut die Frage aufwerfen: «Und jetzt?»

Das sagen die Parteien
Was sind nun die konkreten, ersten Massnahmen, die zu treffen sind, und kann man mit einer
gänzlich anderen Lösung rechnen?
EVP, Matthias Müller:
Der Gemeinderat muss diese Beurteilung vornehmen, gewisse kantonale Vorgaben beachten und die Umsetzung des budgetlosen Zustands der Verwaltung vorbereiten. Dies sollte in enger Zusammenarbeit mit der Fiko geschehen. Die Nein-Sager und Abstimmungsgewinner haben ihre mehrheitsfähigen Massnahmen dringend zu konkretisieren und sollen ihren versprochenen Plan zur Lösung des drohenden Bilanzfehlbetrages vorstellen. Das Budget 2022 muss durch den Gemeinderat überarbeitet werden und die Ausgaben sind mit Augenmass und mehrheitsfähig zu kürzen; in enger Zusammenarbeit mit der Finanzkommision.
FDP, Dominic Amacher:
Der Gemeinderat muss prozessbedingt dem Parlament eine neue Budgetvorlage vorlegen. Ob diese mit oder ohne Steuererhöhung sein wird, liegt in der Entscheidung und Verantwortung des Gemeinderates. Es braucht dringend Visionen und Strategien, welche die Finanzen nachhaltig sanieren. Eine (befristete) Steuererhöhung als einziges Instrument vorzulegen, ist beim Volk offensichtlich und wiederholend nicht mehrheitsfähig.

glp, Casimir von Arx:
Wie vor der Abstimmung gilt: Da die Gemeinde ihren Finanzpuffer, den sogenannten Bilanzüberschuss, sehr bald aufgebraucht haben dürfte, sind Massnahmen nötig, die sofort das Rechnungsergebnis verbessern. Solche Massnahmen sind bspw. eine Steuererhöhung oder der Verzicht auf bestimmte freiwillige Leistungen. Eine Stärkung der Wirtschaftsförderung oder eine Verwaltungsreorganisation sind zwar gute Vorschläge, zeigen aber auch im Erfolgsfall erst mittelfristig Wirkung. Das ist zu spät. Dann gibt es noch die Idee der FDP, das Tafelsilber zu verkaufen. Das heisst: Die Gemeinde versucht, einige Grundstücke gewinnbringend zu verkaufen, um kurzfristig zu Geld zu kommen. Das überzeugt allerdings wenig: Die Zeche zahlen einfach künftige Steuerzahlerinnen und -zahler, weil die Gemeinde mit diesen Grundstücken kein Geld mehr verdienen kann und somit wichtige Einnahmen wegbrechen. Gemeinderat und Parlament müssen nun rasch ein neues Budget erarbeiten. Dabei sind vor allem FDP und SVP als Abstimmungsgewinnerinnen gefragt: Sie haben in ihrer Nein-Kampagne versprochen, dass die Finanzprobleme von Köniz auch ohne Steuererhöhung gelöst werden können. Klarerweise ist es nun an ihnen, den Beweis hierfür anzutreten und konkrete, mehrheitsfähige Vorschläge zu machen, die in ihrer Summe ausreichen, um eine Steuererhöhung zu vermeiden und zugleich weitere Defizite zu verhindern. Ob ihnen das gelingt, ist offen. Wenn sich das Parlament nicht einigen kann, wäre denkbar, dass das Parlament den Stimmberechtigten zwei verschiedene Budgetvorlagen zum Variantenentscheid vorlegt.
Grüne, David Müller:
Seitens Verwaltung muss nun im Detail geprüft werden, was alles als «zwingende Ausgabe» gilt und somit auch im budgetlosen Zustand geleistet werden darf und was nicht mehr. Dies ist für die betroffenen Personen/Leistungen/Investitionen relevant, aber finanzpolitisch auch für möglichst genaue Hochrechnungen im 2022. Seitens Gemeinderat muss ein neuer Budgetantrag z.H. Finanzkommission und Parlament verabschiedet werden. In diesem Prozess gilt es eine mehrheitsfähige Lösung zu suchen, die gleichzeitig die vorhandenen grossen Probleme auch tatsächlich lösen kann. Das strukturelle Defizit ist bekannt und beträgt mehrere Millionen. Mit etwas Kosmetik oder erst langfristig greifenden Massnahmen kommen wir nirgends hin. Ich gehe deshalb davon aus, dass der Budgetantrag des Gemeinderats erneut eine Steuer­erhöhung beinhalten wird, die, wie bisher geplant, mit Sparmassnahmen und einer Reduktion der Investitionstätigkeit kombiniert wird.

Die Mitte, Andreas Lanz:
Der Gemeinderat muss einen neuen Vorschlag für das Budget 2022 ausarbeiten. Dabei ist auch die Dauer einer befristeten Steuererhöhung ein Thema. Sechs Jahre sind viel zu lang. Mit einer Befristung auf zwei Jahre und dem Versprechen, die Zeit für Reformen zu nutzen, könnte die Chancen für eine Annahme erhöht werden. Ich gehe nicht davon aus, dass der Gemeinderat einen komplett anderen Vorschlag bringen wird. Denkbar ist ein Budget ohne Steuererhöhung mit einem entsprechend hohen Fehlbetrag.

SP, Vanda Descombes:
Der Gemeinderat muss jetzt über die Bücher und ein neues Budget mit oder ohne Steuererhöhung erabeiten. Mit Steuererhöhung wird es wieder dem Volk vorgelegt. Seitens der Fraktionen/Parteien sind jetzt die FDP und die SVP gefragt. Sie sollen mehrheitsfähige und konkrete Vorschläge bringen, wie sie das strukturelle Defizit tilgen und die langfristige Gemeindefinanzierung nachhaltig sichern wollen. Aber wie dem auch sei, wir müssen uns zusammenraufen, anders geht es nicht. Eine völlig neue Lösung hingegen würde ja heissen, dass der Gemeinderat seine Aufgaben schlecht gemacht hätte, ganz nach dem Motto: «Wir probieren es doch mal mit der Steuererhöhung.» Wenn das nicht klappt, können wir immer noch sparen. So ist es aber nicht. Wenn der Gemeinderat eine Steuererhöhung vorschlägt, dann aus gutem Grund, weil es nicht mehr anders geht und die Gemeinde nicht zu Tode gespart werden kann. Sicher kann man da und dort noch sparen, aber das bringt nicht die erhofften Millionen und löst das Problem mit dem strukturellen Defizit und der nachhaltigen Finanzierung nicht. Ich persönlich rechne mit einer erneuten Vorlage mit Steuererhöhung, eventuell mit etwas tieferem Steuerfuss, was dann allerdings ein wenig nach psychologischer Kosmetik aussehen würde.

SVP, Reto Zbinden:
Meiner Meinung nach kommt der Gemeinderat nach dem deutlichen Nein zur Steuer­erhöhung nicht mehr darum herum, die Option ausgeglichenes Budget mit Steueranlage 1.49 zumindest ernsthaft zu prüfen. Ich gehe davon aus, dass der Gemeinderat nochmals eine Steuererhöhung vorschlägt, wahrscheinlich mit einem tieferen Satz und hoffentlich mit flankierenden Massnahmen auf der Ausgabenseite. Ich erachte dies aber als grosses Risiko. Sollte die Bevölkerung eine Steuererhöhung auch ein drittes Mal ablehnen, würde bereits im Jahr 2022 der Kanton das Könizer Budget festlegen. Dies gilt es unter allen Umständen zu verhindern.

Teilen Sie diesen Bereich

Beitrag:
«…und jetzt?»

Die meistgelesenen Artikel

Kontakt

Datenupload

Der einfachste Weg uns Ihre Daten zu senden!

Werbeberatung

Schritt 1 von 2