Freilich ist ein Dorf wie Schliern nicht vergleichbar mit Rom. Die Kolonisation Helvetiens durch Rom hat aber auch Spuren in Köniz hinterlassen. Wer wüsste das besser als Peter Mosimann, in dessen Buch von Ausgrabungen römischer Steinpflaster und Grabstätten und – eben – römischen Wegen durch Köniz zu lesen ist. Mosimann beschreibt viele Strassen und Pfade auch um Schliern herum.
Allen ihr Schliern
Wenn Nadia L. auf dem Töff vom Liebefeld zu ihrer Arbeit über die Muhlernstrasse nach Schliern fährt, beobachtet sie beim Hinauffahren rechter Hand die grasenden Schafe, die sich jeweils genau am Zenit des Hügels positionieren, wo sie vielleicht die Sonne am besten abfangen. Und Nadia überlegt kurz, ob sie anhalten und sie fotografieren soll, bevor sie sich für die reine Wahrnehmung des Augenblicks entscheidet. Die Kinder und Jugendlichen, die im JUK im alten Schulhaus an der Gaselstrasse ungeduldig auf die Türöffnung warten, die Familien, die an der Fasnacht vom Zentrumsplatz zur Schule feiern, Politikerinnen, Zugezogene, Alteingesessene, Einsame, Poetry-Slammer, Liedermacher, Äthiopierinnen, Tibeterinnen, Bauern, Pendler, Fremde und Freunde … – sie alle kennen ihr eigenes Schliern und gehen ihre eigenen Routen. Und so stimmt es doch: Viele Wege führen (auch) nach Schliern.
Bücher voller Magie
Wenn man sich nun also die Mühe macht und von Köniz aus, das Schloss hinter sich lassend, am Werkhof vorbei den Hang emporklettert, wird man kurz vor der Endstation der Buslinie 10 rechter Hand das alte Bauernhaus finden, welches seit den 70er-/80er-Jahren im Volksmund Murrihuus genannt wird. Zu vermuten ist: Es steckt voller Geschichten, dieses beeindruckende Gebäude. Wenn es eine Stimme hätte und erzählen könnte, träten sicher viele Anekdoten zutage oder gar ganze Romane. Aktuell stehen Werke solcherart in den mobilen Gestellen, die im Saal des Murrihuus aufgebaut sind. Dazu gesellen sich verschiedene Sachbücher und Hefte in Kisten. Einmal die Woche werden diese Schätze der auf Zeit ausgelagerten Schulbibliothek Blindenmoos von Kindern besucht, die sich am Stöbern erfreuen und auch auf der Suche nach Erzählungen und Bildern sind. Sie ist kein erhabener Ort wie die Stiftsbibliothek St. Gallen, in der man auf die Knie sinken möchte, wenn man sie erstmals betritt. Und doch ist auch diese kleine massvolle Buchsammlung voller Magie. Denn auch hier ist jedes Buch ein Juwel. Berühmte Bücher wie etwa Umberto Eccos «Der Name der Rose» oder jenes vom allseitig beliebten Knaben namens Potter beschwören die Bedeutung von Buchsammlungen und malen mit Schrecken die Vernichtung existentieller Originale aus. Geheimnisvolle Bücher und Bibliotheken sind oft Ausgangspunkt für fantastische Geschichten.
Theater für Kinder
Im Murrihuus in Schliern wird aktuell ganz bescheiden und mit einer guten Prise Humor Neues ausprobiert. Für Kinder gibt es dort ab sofort das Angebot Theater zwischen Büchern, einemem Theater-Spiel-Club, in dem gemeinsam Geschichten recherchiert und erfunden werden. Unter theaterpädagogischer Leitung soll Spass am Theaterspielen genauso geübt werden wie das Erfinden von Geschichten. Ob diese nun von den Römern in Köniz handeln, von der Sage ums Murrihuus oder einem Sci-Fi über Schliern handeln, ist heute noch ungewiss. Das Angebot ist gratis und offen für alle Kinder ab sieben Jahren.
An der Veranstaltung «Live im Murrihuus» wird die Gastgeberin mit ihren Gästen Gespräche über Lieblingsbücher und Bibliotheken führen. Fünf Mal an einem Freitagnachmittag zwischen März und Juni öffnet das Murrihuus dafür seine Türen, auch um Raum zum Verweilen und sich Treffen zu bieten. Je höher die Sonne steigt, desto mehr wird auch der Garten des Hauses bespielbar. Kinder sollen Platz zum Spielen haben, sodass auch Familien ohne Probleme an der kleinen Talkrunde teilnehmen können. Alle Interessierten sind eingeladen, selbst ein Buch mitzubringen, das sie weiterempfehlen möchten.
Neue Geschichten
Und so steht hier die Fantasie im Raum, dass dort, zwischen Haflingerhof und Schulhaus, dort also, wo früher Schweinestall und Bauernküche das Haus warm gehalten haben, genau da, wo zwar das Alte noch seine Spuren zeigt, aber genug Platz für Neues ist, ja dass da im Zusammentreffen zwischen der diversen Könizer Einwohnerschaft neue Geschichten ihren Lauf nehmen können.