Mit der Pensionierung im Jahr 2020 endete die IV-Rente und wurde durch die AHV-Rente abgelöst. «Nun fühle ich mich endlich frei und wie ein ganz normaler Mensch», strahlt Deborah Schär und meint augenzwinkernd: «Jetzt starte ich noch einmal durch.» Die zierliche Frau sitzt im Atelier in ihrer Wohnung. Wenn sie von ihrem Leben erzählt, sprudelt es nur so aus ihr heraus, wie das Wasser aus einer frischen Quelle. «Ich war schon immer so quirlig», lacht sie herzhaft.
Aufgewachsen in Köniz, entdeckte Schär schon früh die Freude an der Kunst. Ihr Talent erkannte auch ihr Vater, der sie zu einer Schnupperlehre in einem Restaurationsgeschäft für traditionelles Handwerk in der Berner Altstadt ermunterte. Der Funke sprang über und sie absolvierte die Ausbildung zur Restauratorin. Dabei liess sie sich von ihrer Krankheit nicht einschüchtern, wie sie erzählt: «Die Arbeit auf der Leiter im Denkmalschutz war für mich zwar tabu, dafür konnte ich mein Können bei der sorgfältigen Restauration von Möbeln unter Beweis stellen.» Besonders die Bauernmalerei machte ihr grosse Freude.
Annehmen wie es ist
Nach ihrer Ausbildung eröffnete die damals 21-Jährige ihr eigenes Kunstatelier in Bümpliz. «Dass ich das machen durfte, war ein Geschenk», sagt sie begeistert und fügt hinzu: «Im Leben ist es wichtig, das zu tun, was man gerne macht, sonst leidet die Seele.» Mit viel Freude ging sie ihrer Passion nach. Dabei machte sie sich das Wissen alter Maltechniken zunutze und restaurierte mit viel Liebe zum Detail traditionelle Möbel. Auch das Kunstmalen auf und mit verschiedensten Materialien praktizierte sie gekonnt. Doch leider verschlechterte sich ihr gesundheitlicher Zustand stetig. Zeitgleich wurde die Immobilie, in der ihr Schaffensraum untergebracht war, verkauft. Das Atelier musste aufgelöst werden.
Die Jahre vergingen. Deborah Schär konnte nicht mehr Treppen steigen und bald war sie –ausserhalb der Wohnung – auf den Rollstuhl angewiesen. Doch trotz dieser widrigen Umstände verlor sie nie ihren Humor und die Freude am Leben. Es gelang ihr, ihre Krankheit anzunehmen und das Beste daraus zu machen. «Es bringt nichts, mit dem eigenen Schicksal zu hadern», sagt sie überzeugt und ergänzt: «Die Krankheit hat mich vieles gelehrt – sie hat mich sogar stark gemacht. Vielleicht wäre ich heute ein anderer Mensch, ohne die Krankheit.»
Immer in Bewegung
Seit nun mehr als 20 Jahren organisiert die Oberwangenerin aus Freude und ohne finanzielle Einnahmen Bastelgruppen und gibt Malunterricht für Kinder und Erwachsene. Dank der grossen Unterstützung durch ihre Familie und ihren Freundeskreis sei dies überhaupt möglich gewesen, meint sie dankbar. Beim Malunterricht lernte sie vor vier Jahren Ivana Caminada kennen. «Ich erkannte sofort ihr Talent und das Potential, das noch in ihr steckt. Ich wollte ihr mein Wissen weitergeben und sie fördern», erzählt sie. Mittlerweile sei eine gute Freundschaft daraus geworden. Während dem Corona-Lockdown hatten die beiden die Idee, eine Galerie in Schärs Wohnung einzurichten. Die Freundinnen gestalten aus Modelliermasse handgemalte Stuckbilder und bemalen diese mit Oel- und Acrylfarbe. Der Kreativität seien dabei keine Grenzen gesetzt. Auch für die Zukunft hegt Schär kreative Lösungsansätze. So lang wie möglich möchte sie selbstständig wohnen und als Künstlerin aktiv sein. «Vielleicht gründe ich in meiner Wohnung eine Senioren-Gemeinschaft, wer weiss, was in den Sternen noch alles geschrieben steht», schmunzelt sie gewitzt.