Bekanntermassen kann eine ausgewogene Work-Life-Balance zu höherer Lebensqualität und Produktivität führen. «Unseres Wissens ist es das erste Pilotprojekt dieser Art im Berufszweig der Maler und Gipser», erklärt Betriebsinhaber Simon Joerin. «Die Lancierung der Testphase beruht nicht etwa auf einem Fachkräftemangel. Da haben wir bei den Malerinnen und Malern derzeit kein Problem. Einzig im Gipserbereich kann es vereinzelt zu Engpässen mit qualifiziertem Personal im Temporäreinsatz kommen», so der 46-jährige Firmenchef weiter. Zusammen mit seiner Frau Natalie, die sich der Administration und der Buchhaltung widmet, und Projektleiter/Baustellenleiter Thomas Feller, sind sie für das drei Monate dauernde Arbeitszeit-Pilotprojekt verantwortlich.
Was ändert sich?
Bislang hatten unsere Mitarbeitenden eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden. In der Pilotphase arbeiten sie an vier Tagen in der Woche neu bis 18 Uhr, 1,25 Stunden pro Tag länger als bisher. So kommen sie auf 38 Stunden pro Woche. Die fehlenden zwei Stunden pro Woche schenkt ihnen der Arbeitgeber. Damit will sich «Simu dr Maler» verstärkt als attraktiven Arbeitgeber positionieren. Die Hälfte der Belegschaft hat während eines Monats jeweils am Mittwoch frei, die andere Hälfte hat am Freitag frei und kommt in den Genuss eines verlängerten Wochenendes. Im Folgemonat werden die Gruppen getauscht, so dass auch die andere Gruppe einen Monat lang in den Genuss von verlängerten Wochenenden kommt. Dann wechseln die Gruppen wieder. «Durch die Verkürzung der Arbeitswoche sollen alle mehr Zeit für Familie, Freunde, Hobbies und Sport haben und so gestärkt und motiviert zur Arbeit zurückkehren» begründet Projektleiter Thomas Feller diesen Schritt.
Grösserer Planungsaufwand
«Die monatlichen Umstellungen erfordern von Seiten des Betriebes wie auch von den Mitarbeitenden Flexibilität. Wir müssen sicherstellen, dass für all unsere Kundenaufträge und auf den Baustellen unsere Fachkräfte dem Workflow entsprechend und in genügender Anzahl im Einsatz stehen und dies in beiden Wochengruppen. Das bedeutet für uns einen zusätzlichen Planungsaufwand der Einsätze» erklärt Feller. Die längere Tagesarbeitszeit führt auch zu Vorteilen. So kann beispielsweise eine Gipswand bis am Abend noch fertiggestellt werden und die Trocknungsphase bereits durch die Nacht erfolgen. Am anderen Morgen kann sofort eine andere Arbeit an der Wand vorgenommen werden.
Für die Mitarbeitenden stellen sich ähnliche Herausforderungen in ihrer privaten Wochenplanung. «Sie müssen monatlich den zusätzlichen freien Wochentag ändern, von Mittwoch auf Freitag. Das kann bei Familien zum Beispiel zu Schwierigkeiten bei der Organisation des Kita-Platzes oder des Hüte-Einsatzes bei den Grosseltern führen», so Natalie Joerin. «Hinzu kommt das Kriterium, in welchem Alter sich die Mitarbeitenden befinden. Unser Personal ist mehrheitlich im Altersbereich von 22 bis 48 Jahren. Für einen Familienvater im Alter von 50+ kann die tägliche zusätzliche Arbeitszeit von 1,25 Stunden jedoch körperlich zur Belastung werden. Er könnte deshalb die bisherige 5 Tage-Woche mit kürzerer Tagesarbeitszeit bevorzugen, gibt Simon Joerin zu bedenken. Die neuen Arbeitszeit-Regelungen gelten nicht für Lernende / EFZ. Sie müssen nach GAV vier Tage pro Woche praktisch arbeiten, plus einen Tag Berufsschule. Das ist bedauerlich, da es für die Jungen sehr interessant gewesen wäre, auch für zukünftig anzuwerbende Lernende.
«Selbstverständlich dürfen sich aus diesem Pilotprojekt und einer möglichen späteren Implementierung für unsere Kundschaft keine Nachteile ergeben. Unsere Philosophie und unser Anliegen bezüglich Qualität, Perfektion und partnerschaftlicher Zusammenarbeit bleiben gleich wie bis anhin» so der Firmengründer.
Entscheid Ende März
Zum jetzigen Zeitpunkt bereits eine Entwicklungstendenz des Arbeitszeit-Pilotprojektes zu nennen sei noch verfrüht. «Noch nehmen wir laufend Anpassungen vor und sind dabie, Erfahrungen zu sammeln. Klar ist aber: Falls es sich bewährt, muss sich eine überwiegende Mehrheit der Mitarbeitenden für das neue Arbeitszeitmodell entscheiden, sonst implementieren wir es nicht», erklärt Simon Joerin. «Setzen wir es um, sind wir gespannt, ob es zu einer Verbreitung der Vier-Tage-Woche in anderen KMU-Unternehmungen führt.