Von besorgt zu entsorgt

Von besorgt zu entsorgt

Nachhaltig war gestern. Heute spricht die Politik von Kreislaufwirtschaft. Von Wiederverwendung, Rückgewinnung, Aufwertung. Was die Politik sich wünscht, ist eigentlich genau das, was Simon Liechti mit seinem Entsorgungshof heute schon macht: den Ressourcen Sorge tragen.

Wie ein kanadischer Holzfäller marschiert er auf einen zu. Reckt seine prankenhafte Hand zum Grusse empor und der üppige Bart entblösst ein herzliches Lachen. Dass er einfach ein netter Kerl ist, das kann er kaum verbergen. Dass aber hier auf dem Entsorgungshof zwischen Bauabfällen, Alteisen und grossen Maschinen einer steht, der gleichwohl sensibel und nachdenklich ist, das liegt schon eher hinter dem Bart verborgen. Vor einigen Jahren trat er in die Arbeitsschuhe seines Vaters Kurt. Heute steht er selbst bodenständig an der Spitze der Firma «Liechti entsorgt». Und wie. Der Entsorgungshof wächst, die Bedeutung desselben ebenfalls und mit Simon Liechti steht ein Mann an der Spitze, von dem nur die Wenigsten wissen, wie viel er eigentlich von seinem Metier versteht.

Wachsende Abfallberge

Nur, gibt es überhaupt eine Berufsbezeichnung für ihn? «Ich glaube nicht. In der Regel sage ich einfach, ich bin Lastwagenfahrer», lacht er. Typisch Liechti. Nie würde er Aufsehen um sich selbst machen. Es gibt den Beruf des Recyclisten, er selbst ist auch Fachmann für Entsorgungsanlagen, aber selbst das trifft nur einen Teil seines Jobs. Ein anderer Teil beschäftigt sich mit den Problemen rund um die wachsenden Abfallberge auf dieser Welt. Auch in der Schweiz. «Ja, die Abfallmenge ist in den letzten 10 Jahren mehr gewachsen als in den vergangenen 50 Jahren. Das hängt aber auch damit zusammen, dass man früher viel einfach in ein Loch gekippt hat. Aber man hat auch den Ressourcen mehr Sorge getragen», erklärt er. Der Abfallberg besorgt ihn und hier kommt einem Entsorgungshof eine grosse Bedeutung zu, denn je mehr recycelt werden kann, desto besser.

Das neue Problem «PFAS»

Liechtis Schaffen liegt ganz nah an der Wissenschaft. Denn diese findet immer wieder problematische Stoffe, die es dann zu extrahieren gilt. Liechti nennt ein Beispiel: «Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen, kurz PFAS, werden seit den 1970er Jahren vielerorts eingesetzt. Sie sind fett-, schmutz-, und wasserabweisend sowie äusserst stabil. Doch diese PFAS sind für die Umwelt und unsere Gesundheit höchst problematisch.» Solche PFAS-haltigen Materialien landen täglich auf dem Entsorgungshof. Pfannen, Jacken und vieles mehr. «Man hat etwas geschaffen und lange Jahre verwendet, das heute zum Problem wird», sagt er nachdenklich.

Gratis heisst schon bezahlt

Die Bilder von Kleiderbergen so hoch wie der Gantrisch in weit entfernten Ländern, Blei, das in Afrika aus Autobatterien einfach in den Boden geschüttet wird. «Das alles haben wir mitverursacht», gibt er zu bedenken. Und wenn Menschen bei ihm Dinge entsorgen, die gefährliche Schadstoffe enthalten und sie womöglich jahrelang belastet haben, dann schreitet er zur Tat, entsorgt und berät. «Ich sehe etwas mehr davon als die meisten anderen Menschen. Das, was ich tun kann, ist dafür zu sorgen, dass diese Stoffe fachgerecht entsorgt werden, und was mir genauso wichtig erscheint: die Leute zu sensibilisieren.» Die Abfallstatistik zeigt auf, wie wertvoll seine Arbeit auch auf der beratenden Ebene ist. Trotz vieler Recycling-Möglichkeiten steigt die Abfallmenge pro Kopf und pro Jahr. Für Liechti keine Überraschung. «Das hat mit unserem Konsum zu tun», meint er kurz und bündig wie ein Altpapierstapel. Nur wünschten sich viele Konsumenten schon lange weniger Plastikverpackung. Da tut sich bei den Anbietern und Grossisten herzlich wenig. Dafür bei den Recyclisten. «Plastik-Recycling-Anlagen sind unglaublich kostspielig. Doch nun gibt es in der Ostschweiz eine solche Anlage, die es uns ermöglicht, in diesem Bereich tätig zu werden. Der Kanton Bern kann deshalb dieses System bereits anbieten und wir selbst waren bei den ersten, die diese Zusammenarbeit eingegangen sind», freut sich der Unternehmer. Und die ewigen Argumente der Menschen, dass Glas, PET und Co. eh wieder auf der Müllhalde landen. Ist da was dran? Jetzt zieht Liechti seine Augenbrauen zusammen und wird deutlich. «Das ist Humbug. Wir sortieren die Materialien und bringen sie in ganz unterschiedliche Wiederaufbereitungsanlagen. Dafür gibt es vorgezogene Recycling-Gebühren. Somit werden die Kosten für die Entsorgung vom Konsumenten schon vorausbezahlt.»

In Simon Liechti brodelt es nun. So viel hätte er noch über Abfall zu sagen. Für ihn eben kein Unrat, sondern wiederverwertbare Materialien, die möglichst zahlreich im Kreislauf bleiben sollen. Dafür brennt er, dafür weibelt er, dafür steht er ein. Tagtäglich krempelt er die Ärmel hoch, um die Probleme von morgen zu verkleinern; meist mit einem Lächeln im Gesicht. Von besorgt bis entsorgt, dieser Mann lebt für seine Aufgabe. Es mag ein Beruf ohne genauen Namen sein, dafür einer mit umso mehr Ehre.

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