Von der Verpflichtung zum konkreten Handeln

Von der Verpflichtung zum konkreten Handeln

Häusliche Gewalt bleibt oft im Verborgenen. Die Istanbul-Konvention verpflichtet auch Schweizer Gemeinden, aktiv dagegen vorzugehen. Nun sollen konkrete Massnahmen ergriffen und Betroffene besser geschützt werden.

Häusliche Gewalt ist eine der am weitesten verbreiteten und dennoch selten offen ausgesprochenen Formen von Gewalt. Sie findet dort statt, wo sie niemand sieht, an einem vermeintlich sicheren Ort: dem eigenen Zuhause. In den eigenen vier Wänden erleben vor allem Frauen körperliche und psychische Gewalt. In der Schweiz wurden im Jahr 2024 21127 Straftaten im Bereich der häuslichen Gewalt registriert. Allein in diesem Jahr haben 23 Frauen in der Schweiz ihr Leben durch häusliche Gewalt verloren. Häusliche Gewalt zieht sich durch Villen, Blockwohnungen und Einfamilienhäuser, also durch alle sozialen Schichten. Gerade weil diese Gewalt im Privaten stattfindet, bleibt sie für die Öffentlichkeit meist unsichtbar. Viele Betroffene schweigen. Um Unsichtbares sichtbar zu machen, braucht es eine Gesellschaft, die hinschaut, die Betroffene erkennt und den Weg zu angemessener Hilfe ebnet.

Die Istanbul-Konvention

Um eine rechtliche Grundlage dafür zu schaffen hat sich der Europarat im Jahr 2011 in Istanbul getroffen. Hier wurde ein Abkommen geschlossen, das zum Ziel hat, Frauen und Mädchen vor verschiedenen Formen von Gewalt zu schützen. Zudem wurde Gewalt an Frauen und häusliche Gewalt als Menschenrechtsverletzung anerkannt. Die Istanbul-Konvention beinhaltet Präventionsmassnahmen, angemessenen Schutz für Opfer von Gewalt und die Verfolgung von Gewaltstraftaten. Wie alle beteiligten Staaten hat auch die Schweiz das Übereinkommen ratifiziert und sich damit verpflichtet, entsprechende Massnahmen zu ergreifen. Das Eidgenössische Büro für Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) dient als nationale Koordinationsstelle für die Umsetzung der Istanbul-Konvention. Im nationalen Aktionsplan, 2022 geschmiedet, wurden konkrete Massnahmen für alle föderalistischen Ebenen festgelegt.

Bedeutung für Köniz

Isabelle Steiner von der SP Köniz betont im Gespräch die besondere Bedeutung der Gemeinde, da sie «am nächsten an den Menschen ist». Ihr komme vor allem die Aufgabe des Informierens und der Sensibilisierung der Bevölkerung zu, aber auch die Aus- und Weiterbildung von Fachpersonen und Ehrenamtlichen. Steiner ist seit über zehn Jahren Mitglied der SP Köniz, sitzt im Gemeindeparlament und ist Co-Fraktionspräsidentin der SP im Parlament. Im Februar reichte sie einen Vorstoss ein, mit dem der Gemeinderat aufgefordert wird, «mit einem Aktions- und Massnahmenplan die Istanbul-Konvention auf kommunaler Ebene umzusetzen».

Die Bestandsaufnahme des Gemeinderats zeichnet ein deutliches Bild: Viele Stellen sind mit Opfern von häuslicher Gewalt konfrontiert, etwa in der Schule, beim Sozialdienst oder in der Jugendarbeit. Obwohl viele Akteure sensibilisiert sind, fehlt es an Koordination und in der Verwaltung an Expertise zum Thema sowie zum Umgang mit häuslicher Gewalt. Auch die bestehenden Hilfsangebote, wie Beratungsstellen, sind nur wenig bekannt und Frauenhäuser sind ausgelastet. Alternative Schutz- und Übergangslösungen gibt es kaum. Auch bei der Zusammenarbeit mit der Polizei besteht Verbesserungspotenzial. Hinzu kommt: Weiterbildungen zum Thema werden selten besucht und Freiwillige vor Ort sind kaum geschult. Kampagnen, wie sie etwa die Stadt Bern zur Sensibilisierung von Nachbarschaften durchgeführt hat, sucht man in Köniz vergeblich.  Dass dies dringend verbessert werden muss, ist klar. Das finden sowohl der Gemeinderat als auch das Könizer Gemeindeparlament, das den SP-Vorstoss einstimmig verabschiedet hat. Der Gemeinderat hat damit den Auftrag, einen Aktions- und Massnahmenplan zu erarbeiten. Ein weiterer Vorstoss zur Umsetzung der Istanbul-Konvention wurde bereits eingereicht. Auch in diesem Vorstoss geht es darum, Massnahmen gegen patriarchale Gewalt zu prüfen und umzusetzen. Der Fokus liegt dabei auf zusätzlichen Schutzplätzen und Notschlafstellen für Betroffene und auf Sensibilisierungsmassnahmen. In der Antwort des Gemeinderats wird klar, dass ihm die Dringlichkeit des Themas bekannt ist. Er weist jedoch darauf hin, dass die Bereitstellung von Schutzplätzen grundsätzlich in die Zuständigkeit des Kantons fällt. Die Massnahmen zur Sensibilisierung würden im Rahmen der Umsetzung des oben erwähnten Postulats zur Umsetzung der Istanbul-Konvention angegangen.

Ein Appell an uns alle

Für Isabelle Steiner geht es hier um mehr als nur politische Entscheide. Sie sieht die Beschlüsse als «Appell an uns alle, dieses Problem endlich ernst zu nehmen und dafür zu sorgen, dass in Köniz weniger Frauen hinter verschlossenen Türen leiden müssen.» Auch auf gesellschaftlicher Ebene müsse noch einiges geschehen. Dabei sei die Gleichstellung der Geschlechter zentral und grundlegend.

Köniz macht klar, dass häusliche Gewalt kein privates Problem ist, sondern eine gesellschaftliche Aufgabe und dass Veränderung da beginnen kann, wo Menschen hinschauen.

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