Bücher begleiteten sie schon immer: «In der Nacht habe ich mit der Taschenlampe gelesen, und wenn ich auf eine Prüfung lernen sollte, hatte ich unter dem Mathebuch oft das Lesebuch versteckt.» Melanie Flückiger machte deshalb nach der Matura in Zofingen die Ausbildung zur Diplombibliothekarin und arbeitete in der Unibibliothek St.Gallen. 1985 zog sie mit ihrem Mann nach Schwarzenburg. Damals gab es neben den neun Schul- die ehrenamtlich betriebene Volksbibliothek beim Gemeindehaus. «Ich wollte dort mithelfen», erzählt sie. «An der ersten Sitzung wurde mir gleich die Leitung übertragen.» Einige Jahre später übernahm sie auch eine Stelle in der Schulbibliothek. «Die Teilung war sehr ineffizient, weil viele Bücher mehrfach angeschafft werden mussten.»
Der Zusammenschluss
Mit dem Ausbau des Oberstufenschulhauses ergab sich die Chance für einen Zusammenschluss. Am 1. Dezember 1995 bewilligte die Gemeindeversammlung eine kombinierte Schul- und Gemeindebibliothek. Nach den Herbstferien 1996 wurde sie eröffnet, unter der Leitung von Melanie Flückiger mit 20 Stellenprozenten sowie den Mitarbeiterinnen im Stundenlohn. Die Einrichtung wurde seither im Rahmen der Möglichkeiten immer wieder den Bedürfnissen angepasst, mit Zeitschriften, Sitzgelegenheiten oder einer Kaffeemaschine.
Ziel: Medienkompetenz
Auch die Mediennutzung hat sich verändert: Bücher, Hörbücher oder Zeitschriften können online ausgeliehen werden. «Filme, Musik und Hörbücher werden hauptsächlich über Streamingdienste konsumiert», erklärt Flückiger, «das ist eine grosse Konkurrenz.» Bestseller haben noch immer Konjunktur, weniger gefragt sind Sachbücher: «Wer etwas wissen will, googelt es, wer etwas basteln will, schaut es sich auf ab.» Ob auf einem E-Reader oder analog, in Form von Comics, Zeitschriften oder Büchern – das ist für sie nebensächlich: «Hauptsache, die Kinder lesen und erlernen die Medienkompetenz.» Lustiger Fakt am Rande: Die meistentwendeten Bücher sind jene zum Thema Aufklärung.
Mehr als nur Bücher
Belesenheit und sauberes Katalogisieren sind nicht mehr die Hauptqualifikationen der Bibliothekarin. Man ist heute Gastgeberin, Veranstalterin und Animatorin, es geht um den Kunden und seine Bedürfnisse. Dazu gehören Lesungen (Flückigers Highlight war jene mit Kriminalautor Peter Beutler 2015, als man kaum noch Platz für die Besucher hatte) und Events auch ausserhalb der Bibliothek (z.B. mit einer Autorin und einer lokalen Gartenbaufirma zum Thema «Hochbeet»). Natürlich wurden solche Anlässe durch Corona verunmöglicht und sie spricht deshalb von einem «schwierigen Jahr». Aber obwohl die Zahl der physischen Ausleihen zurückgeht, hat sich die Bibliothek etabliert als «dritter Ort», als Treffpunkt neben dem Zuhause und dem Arbeitsplatz – jährlich werden etwa 35000 Besucherinnen und Besucher gezählt.
Ein schwieriger Moment
Im Juni 2015 stand die Bibliothek grundsätzlich in Frage. Als Sparmassnahme sollte sie in einen Verein umgewandelt werden und ihre Kosten selber tragen. Dies wurde von einer überdurchschnittlich gut besuchten Gemeindeversammlung mit grossem Mehr abgelehnt. Ein deutliches Zeichen, welchen Wert die Bibliothek in der Gemeinde hat. «Wir sind auch ein Standortfaktor für Neuzuzüger, die eine gute Infrastruktur schätzen», sagt Flückiger. Man stösst an Grenzen: «Unsere Gemeinde ist fast zu gross für die eine Bibliothek, aber es ist noch immer eine gute Lösung». Wichtig war ihr auch immer die regionale Vernetzung. Daraus entstand zum Beispiel das Leseförderungsprojekt «Lesesommer», zusammen mit Köniz und Belp. Zudem engagierte sie sich in der kantonalen Bibliothekskommission, in der sie die Sicht einer «Nicht-Regionalbibliothek» einbringen konnte. Bald wird dank ihrer Initiative auch Schwarzenburg einen offenen Bücherschrank haben, in einer ausgemusterten Telefonkabine im Schwirrenpark.
Die neue Leitung
Ab Mai übernehmen die beiden langjährigen Mitarbeiterinnen Barbara Tschirren und Irene Engel die Co-Leitung. Melanie Flückiger meint dazu: «Der Moment, wenn ich den Schlüssel abgebe wird sicher schwierig für mich. Aber für die Bibliothek ist es sehr gute Lösung, die mir das Loslassen erleichtert.»
Ueli Strasser