Wenn ich den Namen des Schweizer Unternehmens nur ungern nenne, so einzig deshalb, weil ich nicht will, dass man mit dem «Schäm-di-Finger» auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zeigt, nur weil ein Einzelner nicht weiss, was sich gehört. Ganz klar: Alle Aussagen des Mannes liegen mir schriftlich vor. Es dauerte lange, bis man sich in der Firma endlich dazu aufraffte, mir überhaupt zu antworten. Sie wissen: Ich kann ein Hartnäckiger sein, wenn mich etwas interessiert und ich Unwahrheiten und/oder Verschleierungstaktik vermute. Jetzt aber genug der langen Vorworte, zur Geschichte.
Drei unbeantwortete Mails
Von einem Freund hatte ich – zum Dank für «geleistete Dienste» – eine Geschenkschachtel erhalten, gefüllt mit Goodies und Yummys «Made in Switzerland». Beim Naschen habe ich mir die wunderschöne Blechbüchse mit Schweizer Motiven angeschaut, konnte aber nicht herausfinden, wo sie hergestellt wurde. Jaja, Sie haben ja Recht, ist auch nicht so wahnsinnig wichtig, Hauptsache, der Inhalt sagt einem zu. Und dennoch: Ich wollte es wissen. Einfach so. Also habe ich eine Mail an die Firma geschrieben, mit der simplen Frage, wo denn meine Blechbüchse ursprünglich herkommt. Keine Antwort, weshalb ich zehn Tage später nachfrage. Wieder keine Antwort, also zehn Tage später nochmals. Vergeblich.
Weil der Name des CEO hierzulande ein Begriff ist, rufe ich in der Firma an, um seine Mailadresse in Erfahrung zu bringen, wohlwissend, dass es nicht zu seinen obersten Prioritäten gehört, jedem daher gelaufenen «Schlufi» Auskünfte über Blechbüchsen zu geben. Trotzdem. Augenblicke später kann ich mit einem freundlichen Mitarbeiter sprechen, der bestätigt, meine Mails gesehen zu haben. Weshalb aber nicht beantworten (lassen)? Nun, offenbar habe ich einen ganz, ganz ungünstigen Zeitpunkt für meine Anfrage(n) gewählt. Er gibt sich gestresst, nicht zuletzt deshalb, weil sein Kollege – offenbar ebenfalls für Mails zuständig – gegenwärtig abwesend ist. Die Triage der Mails sei «sehr schwierig und zeitaufwendig», erklärt er. Immerhin: Ich bekomme die Mailadresse des Chefs, schreibe ihm kurz, worum es geht.
Grösste Geheimhaltung
Die Antwort folgt bereits am nächsten Tag, von einem aus dem Topkader: «Vielen Dank für Ihre Anfragen, die wir wohl erhalten haben, aufgrund von anderweitigen Prioritäten aber noch nicht beantworten konnten. Grundsätzlich geben wir die Identität unserer Lieferanten aus Konkurrenz- und Geheimhaltungsgründen nicht bekannt. Unsere Blechdosen beziehen wir von spezialisierten Lieferanten in der Schweiz und in Deutschland.» Hoppla! Geheimhaltungsgründen. Ob ich die Schweizer Wirtschaft mit meiner Frage in ihrer Existenz gefährde? Dazu die ausgesprochen nette Formulierung, dass meine Frage offenbar derart komplex und zeitaufwändig ist, dass sie sich nicht aus dem Ärmel schütteln lässt. Schon gar nicht in nur drei Wochen. Kein Wort der Entschuldigung für die Wartezeit.
Ein Bekannter, der bei der Firma arbeitet, hilft weiter: «Fragen Sie den Mann doch einmal, was auf den Paletten so verpackt ist, die Lastwagen aus Tschechien bei uns abladen.» Am nächsten Tag geht also Gretchen mit ihrer Frage auf Spurensuche. Der Mann erklärt sich: «Es kann ganz gut sein, dass die Lastwagen aus Tschechien Blechdosen abladen… Unser deutscher Dosenlieferant verfügt über keine eigene Logistik und arbeitet darum mit externen Transportunternehmern zusammen. Wie das heute sehr verbreitet Usus ist, stammen viele Lkws aus Osteuropa. Damit sei aber nicht gesagt, dass die Dosen aus Tschechien stammen. Vielmehr können wir Ihnen definitiv bestätigen, dass wir keine tschechischen Dosenlieferanten haben und dass unser deutscher Lieferant alle Dosen in seinem eigenen Werk in Deutschland herstellt.»
Durch Zufall (immer diese blöden Zufälle…) kommt mir wenig später eine Auftragsbestätigung der Firma an einen Kunden in die Finger. Dort zu lesen: «Die Dose wird in China hergestellt.» Eine letzte Mail geht deshalb an den Herrn auf seinem hohen Ross, entsprechend seine Antwort: «Bisher war unsere einzige Aussage zum Herstellort, dass unser deutscher Lieferant seine Dosen in Deutschland herstellt und dass wir keine Dosen aus Tschechien beziehen. Bei unserem Schweizer Lieferanten hatten wir bislang keine Veranlassung, uns über den Herstellort zu äussern. Dieser Schweizer Lieferant ist unser Ansprechpartner und beschafft als Spezialist die Dosen dort, wo die geforderten Qualitäten erzeugt werden können.»
Bleibt die Frage: Weshalb dieses unwürdige Versteckspiel, liebe Kambly?