Diese Realsatire wird relativ kompakt geschrieben, weil es auf dieser einen Seite keinen Platz für Ausführlicheres hat. Also: Es geht um eine einwöchige Kreuzfahrt mit MSC, die im TV gegenwärtig mit viel Werbung auffällt. Vor der Reise die Frage an MSC Zürich, ob ich für Recherchen zu einem neuen Kriminalroman einen kurzen Blick backstage werfen könnte. Antwort: «Das müssen Sie auf dem Schiff fragen.» Ich drucke Anfrage/Antwort aus, nehme sie mit.
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Einchecken, ich bekomme meine Bordkarte überreicht. Aus ihr geht hervor, dass die Kabine auf Deck 9 liegt, ich aber von MSC eine Bestätigung (für die teurere) 12. Etage habe. Zudem habe ich den ersten Service fürs Znacht gebucht, es steht jedoch Service 2. – «Tut mir leid, ich kann hier nichts machen, gehen Sie an Bord zur Information, dort hilft man Ihnen gerne weiter.» – «Und meine Koffer, die mit der Kabinennummer auf Deck 12 angeschrieben sind?» – «Kein Problem, wir managen das.» Gut so.
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Eine halbe Stunde später, bei der Information. «Ich kann wegen der Kabine nichts tun, das macht der Manager.» – «Können Sie ihn bitte fragen?» – «Das geht leider nicht, er ist noch nicht hier, aber Sie bekommen heute Bescheid.» Und wegen des Nachtessens: «Gehen Sie zwischen 12 und 14 Uhr ins Restaurant, dort hilft man Ihnen.» Ich um 12.30 Uhr im Restaurant: «Wir können nichts tun, kommen Sie nach 14 Uhr wieder.» Nur einmal, liebe Lesende, dürfen Sie jetzt raten, wer dann anschliessend 90 Minuten auf Gepäcksuche ist, derweil die Koffer für die anderen Kabinen längst vor den Türen stehen. Gegen 19 Uhr die obligatorische Rettungsübung, von denen ich schon einige mitgemacht habe. Was sich heute in einem ungeeigneten Innennraum abspielt, kann man bloss als Chaos bezeichnen, sämtliche zuvor noch vorhandenen Klarheiten zum Schluss beseitigt.
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Am nächsten Tag der Gang zur Information, wegen der Kabine. «Ja, genau, ich erinnere mich an Sie. Sie bekommen heute Bescheid, ganz sicher, gestern war es nicht möglich.» Ich gebe auch meine Anfrage für eine Backstage-Kurzführung ab. «Wir melden uns heute.» Chasch dänke.
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Auch an Tag 3 passiert nichts (ich melde mich auch nicht mehr, will nicht als Schtürmi gelten), mir fällt jedoch auf, dass im All-inclusive-Arrangement, das ich gebucht habe, die Minibar inklusive ist, laut Kabinenhandbuch aber nicht. Was gilt jetzt?
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Tag 4: Ich soll laut einem Zettel unter der Türe bei der Rezeption vorbeigehen. Dort der Bescheid, dass definitiv keine Kabinen auf den Decks 11 und 12 verfügbar sind: «Wir bedauern.» Ich auch. An diesem Tag gibt es dafür einen kleinen Ausflug, der mit Tendering beginnt, mit den Rettungsbooten, da das Schiff vor der Küste ankert. Ich habe mein Ticket abgeholt, was sich Minuten später im Theater abspielt, wo alle Leute mit ihren Gruppennummern zu warten haben, das spottet jeder Beschreibung. Als würde MSC das zum allerersten Mal durchführen, so dass ich auf das «Ausflügli» verzichte, mich dafür an einen Tisch setze und der Public-Relations-Managerin einen Brief schreibe, mit all den Fragen, die sich inzwischen aufdrängen. Ich verlange schriftliche Antworten bis zur Ausschiffung, da eine nachträgliche Reklamation bei der Zentrale keinen Sinn macht. Ich schreibe auch en passant, dass ich als Journalist über meine Erfahrungen an Bord schreiben werde, gebe den Brief an der Info ab. Potzblitz! Eine Stunde später bittet man mich wieder zur Info, mit der freudigen Überraschung, dass jetzt eine Kabine auf Deck 12 frei sei, nota bene nur drei Stunden nach der Absage. Soso. Unter diesen Umständen verzichte ich. Abends auf der Kabine finde ich eine Flasche Prosecco im Eiskübel mit Erdbeeren im Schoggischlafrock, samt entschuldigenden Worten. Auch die Führung ist möglich. Ich bedanke mich mündlich und schriftlich.
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An sich spiele ich in jenen Stunden sogar mit dem Gedanken, diese Story nicht zu veröffentlichen, weil man sich ja bemüht, wenn auch unter recht eigenwilligen Umständen. Tags darauf ein neues Intermezzo: Auf meinem Bett liegt nicht bloss mein Pass, sondern auch jener eines mir unbekannten Chinesen. Um Herrn Zhang Unannehmlichkeiten zu ersparen, gehe ich zur Info, wo man die Augen verdreht, als ich mit dem China-Pass aufkreuze. Ausgerechnet der Journalist… Ich sags ja: Murphy’s law. Kann es Sie unter diesen Umständen überraschen, dass mir zum Schluss im persönlichen Gespräch am Vortag im Deskoffice eine falsche Ausschiffungszeit aufgeschrieben wird, so dass ich um 5 Uhr meiner Gruppe hinterherrennen muss? Oder ist das eine Strafe für mein Motzen? Wie auch immer: Eine Antwort auf meine Fragen habe ich bis zur Ausschiffung nicht erhalten. Auch bis zum Redaktionsschluss nicht.