Das OK suchte damals eine Theatergruppe zur künstlerischen Ausgestaltung des Fests. Samuel Geiser zögerte nicht lange und entschied, gleich selbst auf die Bühne zu gehen. So kam das Stück «D’Lindouere» zur Aufführung, im Jahr darauf wurde die «Theatervereinigung Spiegel» ins Leben gerufen. Mit von der Partie war Annemarie Bachofner. Zusammen mit ihrer Tochter Barbara Schweizer und dem Präsidenten des Vereins «Spiegelbühne», Stoney Amstutz, erinnert sie sich an bunte und vielfältige Zeiten.
Aufwändiges Tourneetheater
Die Motivation, nach der erfolgreichen ersten Produktion gleich weiterzufahren, war gross. Die neu gegründete «Theatervereinigung Spiegel» brachte anfangs sogar zwei Stücke pro Jahr auf die Bühne, danach fand man aber zu einem Jahresrhythmus, der bis heute meist beibehalten wurde. Trotz grosser Spielfreude stand das Ensemble immer wieder vor Herausforderungen. «Wir waren ein Tourneetheater, aber wir hatten keine Rowdys», erzählt Barbara Schweizer, kurz Babs, aus ihrer Anfangszeit. Konkret bedeutete dies, mit allem Material am Vorabend der Aufführung zum Spielort zu fahren, alles aufzubauen und vorzubereiten – ein Kraftakt. «Wenn wir Glück hatten, reichte es mit den Massen der Bühne für die Kulissen», schmunzelt Babs Schweizer und Annemarie Bachofner erinnert sich noch weiter zurück: «Wir nahmen anfangs oft Bühnenbilder, die vorhanden waren. Das durfte nicht viel kosten.» Entsprechend wurden viele Requisiten kostengünstig organisiert – also in den Haushalten der Spielerinnen und Spieler. Wer sich mit Leib und Seele dem Theater verschrieben hat, wie die beiden Powerfrauen, zögert nicht, auch seinen halben Hausrat auf die Bühne zu stellen.
Gut vernetzte Szene
Sowieso scheint die Liebe zum Theater in der Familie von Annemarie Bachofner besonders tief verwurzelt, beinahe erblich zu sein. Mittlerweile ist die vierte Generation dem Theater verfallen. Doch es gehört jeder zur Theaterfamilie, dessen Herz beim Anblick von Textbuch und Kostümen höherschlägt. Zu ihnen zählt auch Stoney Amstutz. Warum steht man sich auf die Bühne, vor so viele kritische Augen? «Man kann vieles ausleben und erleben, was man sonst nicht hätte», erzählt Amstutz mit Feuer. «Es ist Psychotherapie, Balsam für die Seele», so Schweizer prompt und Bachofner fasst mit «Wir sind einfach ein guter Haufen!» die Grundstimmung der Spiegelbühne zusammen. Schwierigkeiten, Schauspielerinnen und Schauspieler zu finden, hat der Verein auch nach 60 Jahren nicht. Man ist vernetzt mit anderen Amateurbühnen, hilft sich gegenseitig und tauscht auch mal Spielerinnen und Spieler aus, wenn eine Gruppe einen Engpass hat. «Früher musste man um Erlaubnis fragen, um an einem anderen Ort zu spielen», weiss Bachofner. Heute ist das Ambiente kollegialer, man kennt sich und ist gut vernetzt. Besonders wenn es um junges Blut auf der Bühne geht, sind gute Kontakte Gold wert.
Sprungbrett für Interessierte
Trotz aller Begeisterung war in der sechzigjährigen Geschichte der Spiegelbühne nicht immer alles eitel Freude, man stand sogar kurz vor dem Aus. Nach einem Konflikt mit einer Regisseurin und Streitereien um Urheberrechte wurde ein Stück abgesagt, die emotionalen Wellen gingen hoch. Der damaligen Präsidentin Anita Bürki ist es zu verdanken, dass es weiterging. Abgesehen von diesem Tiefpunkt liest sich die Geschichte der Spiegelbühne als Erfolgsstory – eine vielseitige Stückauswahl in zugänglicher Mundart, ein stabiles Team und immer wieder kreative Inszenierungen. «Wir sind enorm abwechslungsreich, wir hatten in den letzten Jahren Dramen, Komödien, Krimis, Zeitgenössisches und Klassiker auf der Bühne», so Stoney Amstutz. Eine besondere Qualität der Spiegelbühne ist die Offenheit der ganzen Crew. «Wir möchten jungen Regisseurinnen und Regisseuren, die noch nicht viel ausprobiert haben, eine Gelegenheit geben», betont Babs Schweizer. Denn grundsätzlich soll die Spiegelbühne ein Sprungbrett bieten für alle Interessierten.
Der Vorhang fällt noch lange nicht
Dass dieses Jahr ein grosses Jubiläum ansteht, ging im Eifer des Gefechts und in den Vorbereitungen für das diesjährige Stück völlig unter. «Wir hatten das komplett vergessen», grinst Stoney Amstutz, «wir werden aber sicher miteinander auf die 60 Jahre anstossen!» Das aktuelle Stück ist denn auch nicht eine Neufassung der «Lindouere» wie zum Dreissigjährigen, sondern eine griffige Mundartversion von William Shakespeares «Der Sturm». Stürmisch wird hoffentlich auch der Beifall sein, den die Spielenden und die Spiegelbühne zum Jubiläum erhalten werden.