Wie lautet die Könizer Zauberformel?

Wie lautet die Könizer Zauberformel?

Das Volk wählt Parlament und Gemeinderat im Proporzverfahren. Soweit soll sich auch zukünftig nichts ändern. Aber die Motion «Für unverzerrte Proporzwahlen» der EVP-GLP-Mitte-Fraktion will die Art und Weise, wie bei der Sitzverteilung gerundet wird, ändern. Ein kleiner Eingriff mit grosser Diskussion.

Denn der Teufel steckt bekanntlich im Detail oder hinter dem Komma. Und dort wird es schnell einmal kompliziert. Casimir von Arx (GLP), selbst Mathematiker, hat die bestehende Formel zur Sitzverteilung «Hagenbach Bischoff Verfahren» mit dem «Sainte-Laguë-Verfahren» verglichen und ist zum Schluss gekommen, dass Köniz besser beraten wäre, das System zu wechseln. «Das bestehende Hagenbach-Bischoff-Verfahren hat die schlechte Eigenschaft, dass nicht jede Stimme denselben Einfluss auf das Wahlergebnis hat. Das hängt damit zusammen, dass es grosse Parteien und Bündnisse bevorteilt. Das soll aufhören: Wir möchten, dass jede Stimme gleich zählt. Das Problem lässt sich mit einer einfachen Anpassung unseres Wahlsystems lösen: dem Wechsel zum Sainte-Laguë-Verfahren. Dieses findet, aus gutem Grund, zunehmend Verbreitung in der Schweiz und übrigens auch in Deutschland.»

Eine Machtfrage?

Im Könizer Parlament konnte sich der GLP-Grossrat mit dem Vorschlag durchsetzen. Dank den Bürgerlichen ist die Motion erheblich erklärt worden und muss nun ausgearbeitet werden. Da es sich aber um eine Änderung des Wahlverfahrens handelt, wird das Volk darüber abstimmen, voraussichtlich im Jahr 2025. Deshalb wehren sich die Linken weiter gegen die Anpassung. Für Fraktionspräsidentin Claudia Cepeda (SP) ist dies ein «Eingriff am offenen Herzen. Aus unserer Sicht haben wir ein vertrauenswürdiges und bewährtes System, das die Bevölkerung trägt. Ändern sollte man nur, wenn Not besteht. Wir sehen die Not nicht, sondern nur parteipolitische Interessen und die rechtfertigen keinen Eingriff in die demokratischen Grundrechte.» Mit Blick auf die letzten Wahlen ist der Gedanke nicht ganz abwegig. Der Gemeinderat besteht aus fünf verschiedenen Parteien und im Abrundungssystem nach Hagenbach-Bischoff hätte wenig gefehlt und die SVP wäre aussen vor gewesen, womit die SP einen zweiten Sitz gemacht hätte. Im Parlament ist die SP längst die stärkste Partei. Ist es letztendlich eine Machtfrage? Die SP hat mehr vom jetzigen System und die kleineren Parteien mehr vom Sainte-Laguë-Verfahren. Cepeda ergänzt: «Das Verfahren ist nicht überhaupt nich auf die Exekutive ausgerichtet und wäre in einer solchen Anwendung eine Ausnahmeerscheinung.» 

Eine Interessensfrage

Wie viel Machtpolitik im Vorschlag steckt, vermögen zwei Tatsachen zu beantworten. Zum einen hat die GLP den Vorschlag nicht als Reaktion auf die letzten Wahlen gemacht, sondern schon im Jahr 2020, anderseits revidiert die SP den Machterhalt ebenfalls mit dem Wahlsystem: «Wenn es effektiv die Absicht wäre, dass jede Stimme gleich zählt, dann müsste die Forderung eher nach einem Majorzsystem laut werden oder dann aber die Listenverbindung abgeschafft werden.»  Also gilt die abgeschwächte Annahme, dass es vielleicht nicht um das grosse Wort Macht geht, sehr wohl aber um parteipolitische Interessen. Diese sind legitim, sowohl aus Sicht der SP, die das bewährte System bevorzugt, wie auch aus Sicht der Mitte-Fraktion, die einen Wechsel als Weiterentwicklung des demokratischen Systems verstanden haben will.

Bruch der Zauberformel

Bliebe also die Frage, ob das Sainte-Laguë-Verfahren in Köniz viel ändern würde? Und was geschieht mit den Listenverbindungen? «Sie sind ein Mittel für kleinere Parteien gegen ihre Benachteilung im Hagenbach-Bischoff-System. In Köniz werden sie aber auch von den grössten Parteien angewendet. Ihre Abschaffung löst das Problem jedoch auch nicht. Im neuen Wahlsystem werden sie allerdings weniger wichtig», argumentiert von Arx. Cepeda erwidert: «Ohne Listenverbindung wäre die GLP heute gar nicht im Gemeinderat vertreten.»

Der springende Punkt dürfte effektiv die Exekutive sein und hier sind sich die beiden einig: Fünf Parteien auf fünf Sitzen ist ist eine Art Zauberformel, so lange der Gemeinderat gut zusammenarbeitet, wie das zuletzt durchaus der Fall war. Das neue Verfahren könnte die Chancen der SP auf einen zweiten Sitz mindern, sofern die Listenverbindungen dies nicht relativieren können. Für das Volk dürfte bei soviel Abwägung eine Abstimmung zum Verfahrenswechsel keine einfache Aufgabe sein. Behalten sie etwas das gut funktioniert oder setzen sie auf ein aufkommendes Verfahren, das die Demokratie weiterentwickeln will? Die Könizer Zauberformel lautet so oder so: Parteienvielfalt und das sollte sich – System hin oder her – nicht grundlegend ändern.

 

Erläuterungen:

Proporz:

Der Proporz beschreibt ein Wahlsystem. Proporzwahlen sind Verhältniswahlen. Das bedeutet in erster Linie, dass die Sitze auf verschiedene Parteien verteilt werden. Parteien, die mehr Stimmen gewonnen haben, erhalten dabei grundsätzlich mehr Sitze als Parteien, die weniger Stimmen gewonnen haben. Als Wählerin weiss man, welche Partei die Stimme erhält. Aber erst in einem zweiten Schritt wird berechnet, welche Kandidatin dieser Partei ins Parlament kommt. Die Personen mit den meisten Stimmen einer Partei werden gewählt und nicht zwingend die Personen, die ein Wähler auf der eigenen Liste ausgewählt hat. Anders als in der Majorzwahl braucht es nicht mehr als 50 % der Stimmen, um gewählt zu werden. Das Proporzsystem bietet deshalb kleineren Parteien die Chance, ebenfalls Sitze zu gewinnen. Das ist bei einer Majorzwahl schwieriger.

Hagenbach-Bischoff-Verfahren:

Um Wahlen nach dem Proporzprinzip korrekt auszuzählen, gibt es verschiedene methodische Verfahren. Aktuell gilt in Köniz das Hagenbach-Bischoff-Verfahren. Es wurde nach dem Schweizer Physiker Eduard Hagenbach-Bischoff benannt. Das Verfahren liefert dieselben Resultate wie die sog. Divisormethode mit Abrundung. Dabei wird zur Ermittlung der Sitze ein Zuteilungsdivisor festgelegt. Die Stimmzahlen der einzelnen Listen werden durch den Zuteilungsdivisor geteilt, das Ergebnis abgerundet. So ergibt die Zahl 1.78 eine Sitzzuteilung von 1 Sitz. Jedoch muss bei diesem Verfahren der Zuteilungsdivisor möglicherweise herunter- bzw. heraufgesetzt werden. Dies ist dann nötig, wenn die Zahl der auf die Listen verteilten Sitze tiefer bzw. höher ist als die Zahl der verfügbaren Sitze.

Sainte-Laguë-Verfahren:

Das Sainte-Laguë-Verfahren entspricht der Divisormethode mit Standardrundung. Diese funktioniert weitgehend gleich wie die Divisormethode mit Abrundung: Auch hier wird ein Zuteilungsdivisor festgelegt und die Stimmzahlen der einzelnen Listen werden durch den Zuteilungsdivisor geteilt. Das Ergebnis, und hier liegt der Unterschied, wird aber nicht abgerundet, sondern kaufmännisch gerundet. Die Zahl 1.78 ergibt eine Sitzzuteilung von 2 Sitzen. Das System geht zurück auf den französischen Mathematiker André Sainte-Laguë.

Teilen Sie diesen Bereich

Beitrag:
«Wie lautet die Könizer Zauberformel?»

Die meistgelesenen Artikel

Kontakt

Datenupload

Der einfachste Weg uns Ihre Daten zu senden!

Werbeberatung

Schritt 1 von 2