Wo man noch Gast, keine simple Nummer ist

Wo man noch Gast, keine simple Nummer ist

In einem *****-Hotel am Genfersee: Der Eingang von der gebührenpflichtigen Einstellhalle zur Rezeption gleicht einer heruntergekommenen Höhle (wie bereits vor 25 Jahren), die Sonnenstoren sind dreckig, am Nebentisch wird nach dem Morgenessen auf der Terrasse eine halbe Stunde nicht abgeräumt, ungefähr 25 Spatzen erfreuen sich dort ihres Lebens. In einem anderen Fall im Berner Oberland heisst es nach einer Anfrage via Internet, «Am gewünschten Datum sind wir leider ausgebucht. Bitte buchen Sie künftig früher.» Ende der Durchsage.

Wichtig: In diesem Bericht
wird es nicht um das unschlagbare Preis-Leistungs-Verhältnis in Österreich gehen, ich will diesbezüglich nicht Äpfel mit Birnen vergleichen (obwohl im Apfelsaft bekanntlich auch Birnensaft zu finden ist), sondern aufzeigen, dass der Preis bei der Auswahl der Feriendestination möglicherweise (…) gar eine untergeordnete Rolle spielt, obwohl das viele Schweizer Hoteliers nicht wahrhaben wollen und lieber über den starken Schweizer Franken jammern, obschon sich dieser im Vergleich zu letztem Januar inzwischen um fast 10% abgeschwächt hat.

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«Was glauben Sie», frage ich Sonja, langjährige Mitarbeitende des Hotels Quellenhof in Leutasch, «weshalb stehen auf Ihrem Parkplatz zu zwei Dritteln Autos mit Deutschschweizer Kennzeichen?». Sie schmunzelt: «Nun, offenbar machen wir nicht ganz alles falsch, was man falsch machen kann.» Interessant dabei: Es gibt nur wenige Schweizer, die nur einmal kommen, die meisten sind «Wiederholungstäter». Schauen wir uns doch einmal an, was der Grund dafür sein könnte. Nota bene: Ohne finanziellen Aufwand für das Hotel, wo die Kunden eh gratis parkieren können.

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Per Internet buche ich einige Ferientage im Tirol. Innert Minuten kommt die Bestätigung. Keine zehn Minuten später erhalte ich einen Anruf aus dem Hotel. Eine Mitarbeitende nimmt Bezug auf die Buchung und freut sich auf den Besuch. Ob ich noch speziell etwas wissen möchte? Drei Tage vor der Ankunft kommt eine Mail, mit Angaben über die Aktivitäten des Hotels und die Wettervorhersage während unseres Aufenthaltes. Aufgrund äusserer Umstände fahre ich erst nach 21 Uhr «ein». Bei der Rezeption strecke ich – aus Gewohnheit – der Mitarbeiterin (alle samt und sonders im Dirndl) die Kreditkarte als Garantie entgegen. «Was soll ich damit?», kommt lachend retour. «Das ist doch in Hotels so üblich, dass die Kreditkarte zu Beginn eingescannt wird…» – «Nicht bei uns, die können Sie mir zum Schluss geben, geniessen Sie erst einmal Ihre Ferien.» Hoppla.

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Eine weitere Mitarbeitende zeigt das Zimmer und bittet nachher zu Tisch. «Um diese Zeit kann man noch essen?» – «Nun, die Zeit für den Beginn des Nachtessens ist tatsächlich vorbei, aber Sie haben Halbpension gebucht, weshalb wir Ihnen im Restaurant gerne eine kleine kalte Platte servieren möchten.» Kalte Platte? Das ist leicht untertrieben, was gegen
22 Uhr aufgetischt wird. Während des Essens schaue ich mich ein bisschen um, Gemütlichkeit, wohin das Auge reicht, sehr viele Mitarbeitende sprechen mit den Gästen, man kennt sich anscheinend.

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Überhaupt, die Mitarbeitenden, im Service im Speziellen. Sie scheinen dem Gast die Wünsche von den Augen ablesen zu können. Nie muss man die Hand heben und Ausschau halten, mehrmals pro Nachtessen kommt «man» vorbei – nicht bloss beim Servieren – und erkundigt sich, ob alles in Ordnung ist, ob etwas gewünscht wird. Wie ist das möglich? Sonja: «Wissen Sie, Gastfreundschaft ist das A+O, wir leben das unseren neuen Kollegen vor. Wer das nicht begreift, hat nur einen sehr kurzen Einsatz bei uns.» So einfach ist das. Und auf den Esstischen stehen auf Plaketten die Namen der Gäste, von Hand geschrieben, keine vorgedruckten Nummernschilder.

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Zwei weitere Kleinigkeiten, die ebenfalls den Unterscheid ausmachen: Auf allen Tischen wartet zum Nachtessen eine grosse Karaffe Wasser. Liebe Schweizer Gastronomen: kostenlos (nicht den Liter zu sechs Franken wie in einem Landgasthof in Düdingen). Gilt übrigens auch – das nur nebenbei – für Fahrräder, die man für Ausflüge benutzen kann.

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Erstaunlich: Überall im Hotel stehen schöne Gegenstände. Vasen, Kerzenständer. Und an der Rezeption bekommt man kostenlos Schirme für den Spaziergang im Regen (kommt halt auch in Österreich vor). Wird denn da nichts gestohlen, hat man keine schlechten Erfahrungen gemacht? Sonja lacht: «Nein, schliesslich sind wir ja in Österreich.» Als ob es so einfach wäre. Aber vermutlich ist es gerade die Grosszügigkeit den Gästen gegenüber, dass sie das alles nicht missbrauchen. Zum Abschluss habe ich im Tirol eine Flasche Quellwasser erhalten, und ein Bio-Brot. In der Schweiz heisst es jeweils beim Begleichen der Rechnung als Erstes, «Händ Sie öppis us dr Minibar gno?» Wie sagt der Romand? Vive la différence!

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Zu Beginn habe ich davon geschrieben, wie ein Berner Hotelier eine Anfrage für Winterferien im Februar 2016 beantwortet hat. Geht im Sportivhotel Mittagskogel im Piztal sinngemäss so: «Ich fürchte, dass wir Sie in der besagten Woche nicht verwöhnen können. Besteht die Möglichkeit, dass Sie Ihre Skiferien eine Woche früher oder später geniessen könnten?» Überrascht, dass ich mich flexibel gezeigt habe? So fehle ich halt im Berner Oberland, obwohl die Region erste Wahl war.

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