Kaum ranken sich ein paar Gerüchte um mögliche Zusammenschlüsse, sind die Medien nicht weit und greifen das Thema auf. Manchmal noch bevor die Gemeinde Zeit hatte, sich sachlich mit einer Fusion auseinanderzusetzen. Ein Beispiel hierfür ist Köniz. Einerseits besteht die Gemeinde selber aus mehreren Ortschaften, anderseits ging sie auf die Möglichkeit mit Bern zu fusionieren nicht ein.
«Kooperation Bern»
Der Gemeinderat nahm an der entsprechenden Machbarkeitsstudie der Stadt gar nicht teil. Er war zudem vom Bericht nicht überzeugt und sah sich vom Parlament bestätigt, weil es nur zu einer Interpellation kam und sonst keine deutlichen Stimmen aufkamen. «Für Köniz oder insgesamt die Region stellt sich die Frage, wie die Gemeinde die Dienstleistungen für die Bevölkerung am besten erbringen kann. Ein Gemeinwesen für 40 bis 50’000 Einwohnende ist eine optimale Grösse. Somit ist Köniz gut aufgestellt», beurteilt die Gemeindepräsidentin Annemarie Berlinger-Staub die Situation. Einen Schritt weiter ging Frauenkappelen. Sie nahmen an der Studie teil. «Wir haben daraus wichtige Erkenntnisse gewonnen, gleichzeitig die anderen Gemeinden besser kennengelernt und Zusammenarbeiten analysiert», begründet Gemeindepräsident Marc Wyttenbach diesen Entscheid. Anschliessend war der Gemeinderat aber von einer Fusion nicht überzeugt. Das letzte Wort hat nun im März das Volk. Ganz ähnlich klingt es in Kehrsatz. Der Ort war ebenfalls im Visier der Stadtberner und nahm an der Machbarkeitsstudie «Kooperation Bern» teil. Der Gemeinderat kam bei seiner Beurteilung auf denselben Schluss wie Frauenkappelen. Gemeindepräsidentin Katharina Annen sagt dazu: «Wir möchten keine weiteren Fusionsverhandlungen mit Bern führen, wir befragen zu dieser wichtigen Entscheidung im März aber noch das Volk.»
Suche nach dem besten Weg
Was bewog die Gemeinderäte dreier Gemeinden unisono die Kooperation zu verneinen? «Ich denke, dass ein Grossteil der Bevölkerung keinen Grund für eine Fusion sieht, wenn es der Gemeinde gutgeht», vermutet Wyttenbach, ergänzt aber: «Als Gemeindepräsident ist es mir wichtig, auch in die Zukunft zu schauen. Es ist unsere Aufgabe eine Vision und Strategie zu haben. Hierzu müssen wir Chancen und Gefahren berücksichtigen. Daraus wägen wir ab, welcher der beste Weg ist.» Offen sein für die Zukunft bedeutet also keine Abschottung vor Fusionen, sondern eine jeweilige Beurteilung der eigenen Situation. «Dabei stellt sich die Frage, ob die Dienstleistungen am Besten selber erbracht oder im Verbund besser bewältigt werden können. Dabei können vertragliche Zusammenarbeitsformen aber durchaus die bessere Option als eine Fusion bieten», konkretisiert Annen die Gedanken. Berlinger fügt noch eine weitere Sichtweise hinzu: «Es braucht immer gute Gründe und Menschen, die in diese Richtung wollen.»
Heimatverlust?
Letzteres zeigen frühere Fusionsabstimmungen nur allzu deutlich. «Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Menschen zum Teil sehr emotional mit dem Thema umgehen. Manche haben das Gefühl, bei einer Fusion würden sie einen wichtigen Teil ihrer Heimat verlieren», erzählt Berlinger. Wyttenbach und Annen kennen diese Gefühle aus ihren Gemeinden. «Während bei einigen Leuten fast ausschliesslich emotionale Argumente gegen eine Fusion sprechen, erleben wir andere Personen, die nüchtern Vor- und Nachteile abwägen», fasst die oberste Kehrsatzerin zusammen. Ihren Erfahrungen folgend, muss aber das Heimatgefühl der Bevölkerung bei Fusionsgedanken miteinbezogen werden. «Heimat ist dort, wo ich mich daheim fühle, wo ich mich zugehörig fühle. Das hat mit den Menschen und mit dem Ort aber auch viel mit Erinnerungen und Zukunftsvorstellungen zu tun. Manchmal orientiert sich das Zugehörigkeitsgefühl entlang politischer Grenzen und dann wird eine Gemeindefusion zu einem schwierigen Thema», fasst Berlinger zusammen.
Wer fusioniert also?
Macht also eine Fusion nur Sinn, wenn es einer Gemeinde schlecht geht und obendrein eine Mehrheit keine allzugrossen Emotionen hat? Dann gäbe es kaum je eine Ortschaft, die den Schritt wagen würde. Die Vergangenheit zeigt aber, dass jüngst viele kleinere Gemeinden diesen Schritt vollzogen haben. Was waren ihre Antriebe? «In der Vergangenheit haben sicherlich mehrere aus der Not heraus schlussendlich fusioniert», antwortet Wyttenbach. Eine Not, die dann entsteht, wenn es schwierig wird genügend Ressourcen aufzubringen, um die steigende Zahl der Anforderungen zu erfüllen. Annen ergänzt, dass «der Gemeinderat im Sinne einer langfristigen Planung sich auch in guten Zeiten immer zu hinterfragen hat. Entsprechend macht es durchaus Sinn, das Thema von Zeit zu Zeit wieder neu zu beurteilen.» Das Fusions-Nein von heute kann zu einem Ja von morgen werden. Dem widerspricht Wyttenbach ein wenig indem er anfügt: «Wenn eine Gemeinde eine Strategie hat, dann diskutiert sie nicht immer von Neuem. Dann hat sie ja einen Plan in welcher Form sich die Bevölkerung auch in Zukunft wohl fühlen soll.» Trotzdem gibt er Annen recht in dem er es einfach ein klein wenig anders formuliert: «Zusammenarbeiten mit anderen Gemeinden müssen regelmässig angeschaut und besprochen werden, damit Optimierungen vorgenommen werden können.» Berlinger fasst quasi beide Gedanken in ein Votum, indem sie resümiert: «Das Thema Fusion ist eines, dass man nicht nur einmal diskutieren kann und dann ist es erledigt. Dass zwei Gemeinden zusammenwachsen kann nicht von der Politik verordnet werden. Sie kann es aber immer wieder thematisieren und den Prozess beeinflussen. Letztlich ist die Fusion aber nur eine von vielen Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Zusammenarbeit orientiert sich nicht nur an politischen Grenzen, gerade in Köniz.»
Die Zukunft entscheidet
Fusionieren ist also eine in die Zukunft gerichtete Frage. Je nötiger eine Gemeinde in naher oder mittelfristiger Zukunft Hilfe benötigen wird, desto wahrscheinlicher ist eine Zusammenarbeit und in gewissen Fällen eben die Fusion. Gerade kleinere Gemeinden haben diese Zukunft schon in der Gegenwart gespürt und diesen Schritt bereits getan, wie beispielsweise Rümligen mit Riggisberg oder Alterswil und St. Antoni mit Tafers. Ist die Zukunft noch in einer gewisssen Ferne, bleibt genügend Zeit, die Heimatgefühle der Bevölkerung zu berücksichtigen und früh genug den Dialog zu führen. Dann vermischen sich heisse Luft und kalte Fakten zu einem Hochdruckgebiet für eine «sichere Zukunft der Gemeinde», wie es Wyttenbach sagt.
Sacha Jacqueroud