Abschuss als Startschuss

Abschuss als Startschuss

Am letzten Februartag versuchte ein weiblicher Wolf in eine geschützte Nutztierherde einzudringen. Die Wildhut des Kantons Bern erlegte das Tier daraufhin. Es deutet viel darauf hin, dass es sich dabei um «F78» handelt.

Das Berner Jagdinspektorat gab diese Wölfin unlängst zum Abschuss frei, weil sie zu viele Tiere gerissen habe. Der Fall galt als umstritten, weil die gerissenen Schafe grösstenteils zu wenig gut geschützt waren. Für die Experten liegt es deshalb auf der Hand, dass sie sich ganz natürlich verhalten habe, um ihren Hunger in den Winterwochen zu stillen. Für die Nutztierhalter hingegen bedeutete die Anwesenheit von «F78» einen Verlust von 32 Tieren seit Oktober 2020. Obwohl der Kanton mehrfach an die Halter appellierte, sie mögen doch ihren Schutz verstärken, blieb eine Reaktion in den allermeisten Fällen aus. Anderseits ist die Umsetzung nicht überall ganz so einfach, wie ein Schafzüchter unweit von Köniz anmerkte. Aufgrund seiner unmittelbaren Nähe zu einer Wohnsiedlung, könne er keinen Herdenschutzhund haben. «Jetzt kaufe ich halt Lamas», bemerkt er. «In der Tat sind sie gute Schutztiere und dem Wolf gegenüber gänzlich furchtlos», weiss Peter Berger, Herdenschutzbeauftragter des Kantons. Doch ganz so lösungsorientiert wie der besagte Schafhalter sind längst nicht alle. So monieren die Tierschützer denn, dass die mangelnde Fürsorge der Halter ihren Tieren gegenüber nicht unbedingt vorbildlich sei, wenn ein Grossraubtier umherstreift und kaum Schutzmassnahmen getroffen werden. Der Leidtragende sei dann halt der Wolf, der aufgrund des politischen Drucks nun erlegt wurde. Der Tod von «F78» markiert aber keinesfalls das Ende für das Thema Wölfe im Gantrischgebiet. Der nächste wird kommen, sind sich die Experten einig. Parallel dazu machen sich Politikerinnen und Politiker Gedanken, ob das Gesetz angepasst werden müsste. Denn Entschädigungen für kaum geschützte Schafe und ein Abschuss für ein geschütztes Raubtier, das sich ziemlich logisch verhält, werfen Fragen nach der Gerechtigkeit auf. Dem gegenüber steht aber ein Gebiet, das im Einzelfall nicht immer zweifelsfrei und ohne weiteres vor Wölfen geschützt werden kann. Der Abschuss ist so gesehen eher ein Startschuss in eine Zeit, in der die Koexistenz hergestellt werden sollte.
Sacha Jacqueroud

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