Abu Dhabi im Rückspiegel

Abu Dhabi im Rückspiegel

7500 Athleten aus 190 Nationen hatten sich für die Special Olympics World Summer Games im März in Abu Dhabi eingefunden, um sich in 24 Sportarten zu messen. Darunter auch 3 Radsportler aus dem «Bernaville». Am 1. Mai wurden nochmals die Highlights des Abenteuers präsentiert, garniert mit amüsanten Randbegebenheiten.

Jürg Müller ist Werkstattleiter im Bernaville und steigt seit 30 Jahren wöchentlich mit seinen Schützlingen vom «Race Team Schwarzenburg» aufs Velo. 2015 war er bereits Team-Coach an den Special Olympics in Los Angeles. Für Abu Dhabi konnte er sich im November 2017 erneut bewerben. Als er im Juni 2018 auf dem Heimweg den Anruf vom Chef der Schweizer Delegation bekam, hätte er vor Freude fast sein Auto in den Graben gesetzt. Seine Athleten mussten diverse Kriterien erfüllen: Teilnahme an den «National Days», Sozialkompetenzen und die Bereitschaft, in ein Flugzeug zu steigen. «5 Personen wären in Frage gekommen», erklärt Müller. «2 von ihnen wollten jedoch nicht fliegen.» Die Wahl fiel schliesslich auf das bewährte Trio aus L.A.: Stefan Gutknecht, Philippe Urfer und Michael Bucher.

Abu Dhabi war für alle Beteiligten Neuland. Ein Werbefilm zeigte Athleten zwischen schillernden Glaspalästen, prunkvollen Marmorbauten und einer verstörenden Eintracht von Meer und Wüste. «Wir konnten nur erahnen, was uns erwartet», resümiert Müller. «Und wenn ich den Film sehe, läuft es mir gleich wieder kalt den Rücken runter.» Das «Team Schweiz» bestand aus einer Schwarzenburger und einer Aargauer Gruppe. Gemeinsame Tage in Luzern und Interlaken oder Wochenenden im Goms und in Tenero schweissten die Sportler zusammen. Physis und Technik gehörten zum Programm, aber auch Spass, Schnupf und Schnaps durften sein.

Nach 9 Monaten Vorbereitung und einem sechsstündigen Flug stimmte ein dreitägiges Programm mit kulturellen Inputs die Teams auf die neue Umgebung ein. Begleitet wurde die Schweizer Delegation von Fans, Eltern, Kollegen und vielen Kuhglocken. Am 14. März durften die 94 Sportlerinnen und Sportler aus der Schweiz unter dem tosenden Applaus von 40’000 Zuschauern ins Stadium einlaufen, umrahmt von einer gigantischen Show aus Musik, Tanz und Feuerwerk. «Die Eröffnungsfeier weckte unbeschreibliche Emotionen», erinnert sich Müller.

Dann ging es raus auf den heis­sen Asphalt: Die Disziplinen waren Zeitfahren über 2 und 5 Kilometer sowie ein 5-Kilometer-Strassenrennen. Und das auf der weltweit modernsten Formel-1-Strecke. In Qualifikationen wurden 8er-Stärke-Gruppen ermittelt, welche die Medaillen unter sich ausmachten. Damit niemand in der Einteilung extra langsam fährt, um sich in seiner Gruppe eine «einfache» Goldmedaille zu holen, führt eine mehr als 15 Prozent schnellere Zeit im Rennen zur Disqualifikation. «Unsere Sportler sind während des Rennens manchmal komplett im Tunnel und vergessen, in den richtigen Gang zu schalten», erklärt Müller. Um ein Ausscheiden zu vermeiden, hat er die Schaltung seiner Schützlinge auf dem vorderen Zahnrad fixiert. So stehen nur 9 Gänge zur Verfügung, was für das Rennen komplett ausreiche und grosse Abweichungen verhindere.

Im ersten Rennen hatten die Schwarzenburger noch mit Wüstensand in den Augen und einer Erkältung zu kämpfen. Eine Teambesprechung und eine Sonderdosis «Red Bull» brachte sportlich den gewünschten Effekt. Stefan Gutknecht holte sich Silber und Bronze, seine Kollegen erreichten gute vierte und fünfte Ränge. Eine Medaille vergab Michael Bucher durch einen Sturz, zum Glück ohne grössere Verletzungen. Mit totalem Einsatz kam er noch als sechster ins Ziel. Geehrt wurden die Athleten auf der Start-Ziel-Geraden der Rennstrecke, laut bejubelt von den Fans auf der Tribüne.

Nach den sportlichen Anstrengungen gönnte sich die Delegation eine Wüstensafari, inklusive Abschlussfest mit Wasserpfeife und Bauchtanz. 1001 Eindrücke und einen Flug später begrüsste und feierte ein riesiges Empfangskommitee die Sportler auf dem Dorfplatz im Bernaville. Die 3 Radfahrer haben, stellvertretend für Tausende andere Athleten, bewiesen, dass Menschen mit kognitiven Behinderungen an ihre Limiten gehen und Höchstleistungen erbringen können. Jeder Mensch hat seine Leistungsgrenze an einem anderen Ort. Und wer sie auf diese Art auslotet, verdient den grössten Respekt.

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