Als der Mensch begann, sich in Siedlungen niederzulassen, war der Zugang zu Trinkwasser der Hauptgrund für die Wahl des Standortes. Mit der wachsenden Zahl von Menschen am selben Ort wuchsen auch die hygienischen und damit gesundheitlichen Pro-
bleme durch Abfälle oder Abwasser. Die Menschheit war sich dessen schon sehr früh bewusst; rund 2000 Jahre v. Chr. entstanden die ersten Kanalisationen, die das Abwasser in Rinnsteinen abführten. In der römischen Antike wurde diese Technik durch den Bau von Kanälen weitergeführt, das Abwasser war dadurch zwar nicht gereinigt, aber immerhin floss es ab. Später, im Mittelalter, geriet die gesundheitliche Bedeutung der Abwasserentsorgung in den Hintergrund. Was mit zu den fatalen Folgen der Verbreitung der Pest beitrug, da sich die Ratten, die das verantwortliche Bakterium auf die Menschen übertrugen, in einem unhygienischen Umfeld besonders stark verbreiten.
Daten für die Wissenschaft
Schliesslich setzte sich das Wissen um gereinigtes Wasser im Interesse der Volksgesundheit durch und führte vor rund 150 Jahren zum Bau der ersten Wasser-Kläranlagen; daraus wurden die heutigen Abwasserreinigungsanlagen weiterentwickelt. Die ARA Sensetal gehört landesweit zu den 100 grössten Anlagen dieser Art. «Unsere Hauptaufgabe ist die Sicherstellung der Qualität des Abwassers, das von hier wieder in die Natur zurückfliesst», so der Geschäftsleiter Thomas Auderset. Um diese Arbeit auszuführen, stehen der ARA nebst einem Labor sämtliche Einrichtungen und Instrumente zur Verfügung, die dafür nötig sind. Eine zusätzliche wichtige Tätigkeit, fährt er fort, sei die regelmässige Entnahme von Proben aus dem Abwasser zur externen labortechnischen Untersuchung, was seit der Covid-Pandemie an Bedeutung gewonnen habe. «Man darf schon sagen, dass wir aus dem Bereich der Abwasserreinigung sehr viele Inputs liefern, aus denen die Wissenschaft wichtige Daten erheben kann.»
Frühes Erkennen der Viren
Die Proben gehen an die Eawag in Dübendorf, einem der weltweit führenden Wasserforschungsinstitute, das vom BAG mit dem nationalen Abwassermonitoring beauftragt ist. Das Institut startete seine Forschungen an der ETH Lausanne im Juli 2020 und veröffentlichte im darauffolgenden Oktober erstmals die Resultate der Analysen, die ebenfalls auf dem Portal des BAG öffentlich zugänglich sind. Im Abwasser wird untersucht, wo in Bezug auf die Gesundheit der Gesellschaft kritische Zustände auftreten und welche Faktoren diese beeinflussen; immer mit dem Ziel, allfällige Ausbrüche von Krankheiten zu lokalisieren und rechtzeitig zu erkennen. Die Feststellung von Thomas Auderset, dass die Proben aus dem Abwasser sehr vieles, aber nicht alles aussagen, wird von den Forschenden aus dem Institut bestätigt. Die gewonnenen Erkenntnisse aus den Abwasserproben, teilen sie mit, ergeben ein Bild über die Gesamtheit einer Region und ihrer Bevölkerung. Dadurch wird die Menge der Viren ersichtlich und es lässt sich erkennen, welche Krankheitserreger sich im Abwasser befinden; beispielsweise diejenigen, welche eine Grippe oder die Krankheit COVID-19 auslösen.
Monitoring als Frühwarnung
Das frühzeitige Erkennen von Krankheitserregern kann die Gefahr schwerer Krankheitsverläufe reduzieren, die Planung für Spitäler und für das gesamte Gesundheitswesen optimieren und die Zahl der Spitalaufenthalte senken. Das Abwassermonitoring liefert die Grundlage für detaillierte, klinische Abklärungen und Analysen, die es zur Identifizierung und Behandlung einer Krankheit bei einzelnen Personen braucht. Die Erkenntnisse daraus geben nicht nur Aufschluss über die Erreger und die Verbreitung der Krankheit, sondern auch über deren zeitlichen Verlauf. Das Abwassermonitoring funktioniert demzufolge als eine Art Frühwarnsystem, denn die Abwasserproben zeigen, wo eine Krankheit zirkuliert und wie dynamisch ihre Entwicklung ist. Mit seinen beständigen Daten liefert das Abwassermonitoring einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft. Deshalb wird dem Abwasser in Laupen weiterhin höchste Aufmerksamkeit geschenkt. Pausenlos, wie Thomas Auderset versichert: «Die Anlage muss ununterbrochen in Betrieb sein, 365 Tage im Jahr. Nur so sind die Proben zuverlässig.»


