Beobachten, denken, handeln

Beobachten, denken, handeln

Obwohl psychische Erkrankungen in der Gesellschaft weit verbreitet sind und stetig zunehmen, werden sie nach wie vor tabuisiert. Werden Symptome vom Umfeld erkannt, wissen viele Menschen nicht, wie sie auf Betroffene zugehen können. Das Programm von der Stiftung Pro Mente Sana will dies ändern – mit Erste-Hilfe-Kursen für die Psyche.

Fast alle erwachsenen Menschen haben schon einmal einen Erste-Hilfe-Kurs besucht, damit sie bei Notfallsituationen gewappnet sind. Doch was, wenn das gesundheitliche Problem nicht im Körper, sondern in der Seele liegt? Jede zweite Person in der Schweiz erkrankt im Laufe ihres Lebens psychisch, jede vierte so stark, dass ihre Arbeitsfähigkeit leidet. Auch psychische Krankheiten können im schlimmsten Fall tödlich enden, wenn sie nicht erkannt und rechtzeitig behandelt werden. «Umso wichtiger ist es, Aufklärungsarbeit zu leisten, Tabus abzubauen und die Gesellschaft zu befähigen, wie man reagiert», weiss Chantal Anne Hofstetter. Die Psychologin arbeitet bei Pro Mente Sana im Programm ensa Schweiz. Das Konzept basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und wurde ursprünglich vor über 20 Jahren in Australien im Rahmen des Programms «Mental Health First Aid» entwickelt. Das Wort ensa stammt von den Ureinwohnern Australiens und bedeutet «Antwort». Im übertragenen Sinn liefert ensa gemäss den Gründern die passende Antwort für die zunehmenden gesellschaftlichen Herausforderungen im Bereich der psychischen Gesundheit.

Es betrifft alle
Im Kurs wird Wissen über psychische Gesundheit und Krankheit vermittelt und darauf sensibilisiert, häufige Störungsfelder und Alarmsignale zu erkennen. Es werden konkret Erste-Hilfe-Massnahmen erlernt und eingeübt. Das Programm setzt auf Früherkennung und -intervention aus dem Umfeld. «Das spielt bei der Chance auf Heilung eine wichtige Rolle. Krankheitsverläufe werden positiv beeinflusst. Den Betroffenen sowie auch deren Familien können so lange Leidenswege erspart werden», ist die Expertin überzeugt. Denn eines ist klar, eine psychische Erkrankung belastet nicht nur die Betroffenen selbst, sondern auch deren Umfeld. Auch im Arbeitsumfeld besteht noch grosser Handlungsbedarf. Deshalb hat das Programm spezifische Kurse für Führungspersonen und Mitarbeitende entwickelt.

Schweigen aus Scham
Mit über fünf Millionen Menschen, die das Programm absolviert haben, ist es weltweit verbreitet und anerkannt. «Trotzdem ist es vielen immer noch nicht bekannt», bedauert Hofstetter. «Leider sind Depressionen und Co. immer noch Tabuthemen in unserer Gesellschaft. Aus Scham und Angst stigmatisiert zu werden, schweigen viele Betroffene. Gleichzeitig sind Freunde, Angehörige oder Arbeitskollegen oftmals überfordert, wenn sie Symptome erkennen». Die Psychologin betont: «Wir wollen keine Laien zu Therapeuten ausbilden.» Vielmehr gehe es darum, dass das Umfeld Warnzeichen erkenne, richtig reagiere und gegebenenfalls an Fachleute weitervermittle. Richtig reagieren bedeutet in diesem Fall, Betroffene direkt anzusprechen. Hofstetter rät: «Am besten gelingt der Einstieg in das Gespräch, indem die eigenen Beobachtungen möglichst wertfrei geschildert werden. Zum Beispiel: «Ich hatte in letzter Zeit oft den Eindruck, dass du niedergeschlagen wirkst…»

Prävention lohnt sich
Auch Dawa Schläpfer, Arbeits- und Organisationspsychologin bei B & A Beratungen & Analysen, ermutigt die Kursteilnehmenden, das direkte Gespräch zu suchen. Die Partnerfirma von ensa mit Sitz in Spiegel bei Bern hat sich u. a. auch auf Kurse spezialisiert, die auf Firmen zugeschnitten sind. Schläpfer bestätigt, dass auch im Arbeitsumfeld die Hemmschwelle auf beiden Seiten sehr gross ist. Die Angst, etwas Falsches zu sagen, lässt viele schweigen. «Die Praxis zeigt: Meistens reagiert das Umfeld erst, wenn die Leistung der Betroffenen abfällt und sie sich immer wieder krankmelden. Dies ist jedoch eines der letzten Warnsignale und häufig ist es dann schon zu spät». Die Projektleiterin ist überzeugt: «Die Förderung eines verständnisvollen Arbeitsumfeldes leistet einen wichtigen Beitrag zur mentalen Gesundheit der Mitarbeitenden. Deshalb ist es wichtig, in die Prävention zu investieren.» Auch wenn die Bedenken und Ängste aus dem Umfeld nachvollziehbar sind, will das Erste-Hilfe-Programm vor allem ermutigen – denn eigentlich kann man gar nichts falsch machen, ausser man macht nichts.

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