Am 21. Februar informierte die Genossenschaft Migros Aare über den geplanten Umbau des alten Einkaufszentrums in Chly-Wabere. Erd- und Obergeschoss sollen abgerissen werden und durch einen Pavillon-Neubau ersetzt werden. Das Zentrum und damit der Migros-Supermarkt seien in die Jahre gekommen. Das Untergeschoss mit dem Supermarkt wird komplett saniert. Die Genossenschaft Migros Aare investiert rund 10 Mio. Franken. Während der Bauzeit von ca. 10 Monaten soll der Supermarkt auf dem Nachbargrundstück mit Tankstelle in einem externen Provisorium weiterbetrieben werden.
Das Abbruch- und Baugesuch wurde Ende Januar eingereicht. Die öffentliche Publikation des Baugesuchs erfolgte am 24. Februar. Laut Medienmitteilung werden die Kunden den Migros Supermarkt und die Apotheke im ersten Untergeschoss sowie den Denner, der bis jetzt in einem Nebengebäude untergebracht ist, im Erdgeschoss vorfinden. Der Kiosk dagegen wird verschwinden. Die privaten Betreiber haben den Vertrag nicht mehr erneuert. Ebenfalls geschlossen wird das Migros-Restaurant. In der Medienmitteilung heisst es: «Sämtliche Mitarbeitenden werden innerhalb der Migros-Gastronomie weiterbeschäftigt.»
Diese Schliessung, von der die Stammgäste schon früher erfuhren, sorgte für Entsetzen unter den Betroffenen. Dazu gehören auch Regula Schmid und Herbert Gruner. «Es trifft uns in der Seele», betont Gruner. «Es gibt in Wabern keine richtige Dorfbeiz, kein Tea-Room. Gerade am Morgen sind keine Alternativen vorhanden. Das Essen hier ist gut und preiswert, es gibt auf diesem Niveau nichts Vergleichbares hier im Ort.»
Die beiden Anwohnenden organisierten vom 6. bis zum 12. Februar eine Unterschriftenaktion im Migros-Restaurant. Jeweils vormittags und über den Mittag wurde diese durchgeführt. «Wir haben mit verschiedenen Leuten darüber geredet, was wir machen sollen. Daraus entstand die Idee mit der Petition. Wir haben uns entschlossen, es auf eine Woche zu begrenzen und darauf zu achten, dass jeder nur einmal unterschreibt», erklärt Regula Schmid. Innerhalb dieser kurzen Zeit kamen 630 Unterschriften zusammen. «Auch jetzt kommen immer wieder Leute auf uns zu, fragen nach oder wollen unterschreiben. Das Bedürfnis ist da», fügt Herbert Gruner hinzu.
Es sei tagsüber ein Treffpunkt für über 100 Leute. Viele kämen vorbei, nicht nur um zu essen, sondern um Anschluss zu finden, einfach zum Plaudern, Gedankenaustausch, Zeitunglesen oder Jassen, betonen die beiden. Persönliche Kontakte werden geknüpft und gepflegt. Man sei eine grosse Familie, die nun auseinandergerissen werden soll. «Wir sind enttäuscht und sauer. Natürlich verstehen wir, dass man die wirtschaftlichen Interessen berücksichtigen muss, aber das Unternehmen hat den Slogan: ‹Die Migros gehört den Leuten›, daher sollte es seinem sozialen Engagement ebenso nachkommen», hört man unter den Gästen immer wieder. «Uns tun auch die Angestellten leid. Sie sind sehr zuvorkommend und eine Mitarbeiterin ist schon seit 20 Jahren dabei. Sie lesen uns die Wünsche von den Augen ab und kennen ihre Stammgäste beim Namen», erzählt Herbert Gruner. «Sie helfen Leuten mit Einschränkungen. Meine Schwester zum Beispiel ist nicht mehr so gut zu Fuss. Sie bringen ihr das Tablett zum Tisch. Es sind Kleinigkeiten, aber die machen den Unterschied», ergänzt Regula Schmid.
In einer E-Mail vom 5. Februar an die Genossenschaft Migros Aare listeten die Verantwortlichen der Initiative die wichtigsten emotionalen Gründe auf, warum «ihr» Restaurant bleiben solle und baten darum, das Restaurant auch im Neubau mit zu berücksichtigen. Eine Option sei zum Beispiel, nur noch ab 8 Uhr bis ca. 16 Uhr zu öffnen. «Am Vormittag geniessen Berufstätige ihr ‹Znüni›, Mütter überbrücken die Kindergartenzeit bei einem Kaffee und Spaziergänger schliessen ihre Runden im Restaurant ab. Am Mittag ist das Restaurant fast immer voll. Es gibt Zeiten, wo man Mühe hat, einen Platz zu finden. Es kommen viele Berufstätige – u. a. vom naheliegenden METAS, obwohl es dort eine Kantine gibt – ältere Personen und Alleinstehende, die nicht selber kochen wollen oder können», heisst es in der E-Mail.
Am 13. Februar sandten die engagierten Bewohner eine weitere E-Mail mit den gesammelten Unterschriften an die Genossenschaft. Die Reaktion darauf war ein Anruf aus der Geschäftsleitung: Man bräuchte mehr Zeit und würde sich melden. Die Organisatoren des Protests werten dies als gutes Zeichen und wollen optimistisch bleiben.


