«Der Bezug zur Heimat ist immer noch da»

«Der Bezug zur Heimat ist immer noch da»

Farbenfrohe Sarees und festliche Vettis, viele fröhliche Kinder, Tanz und Musik: Die Tamilische Schule Köniz richtete Ende Oktober zu ihrem 25-jährigen Bestehen ein Fest aus. Schon die dritte Generation besucht den Unterricht einer Sprache, die ihnen sonst fremd werden könnte.

Es ist ein farbenfroher, feierlicher und dennoch familiärer Festanlass, der sich den Besuchenden in der Aula des Oberstufenzentrums Köniz bietet. Anwesend sind neben einigen Gästen drei Generationen Tamilen und Schweizer tamilischer Herkunft, die das Bestehen «ihrer» Schule und damit die Sprache und Kultur ihrer Heimat zelebrieren. «Tamilische Schule» bedeutet, dass die Könizer Schulkinder mit tamilischen Wurzeln jeden Mittwochnachmittag, zusätzlich zum normalen Regelunterricht, in ihrer Heimatsprache und -kultur ausgebildet werden. 

Schon die dritte Generation

Von Anfang an dabei ist Lucksmanan Sinnadurai. 15 Jahre lang leitete er die Schule, seit 2017 ist er Koordinator für die 26 tamilischen Schulen im Kanton Bern. Seine Frau ist als Lehrerin an der Schule tätig; beide engagieren sich ehrenamtlich. «Heute besuchen bereits die Kinder unserer ehemaligen Schülerinnen und Schüler den Unterricht», erzählt er. Also schon die dritte Generation; die Grosskinder derer, die seit den 80er Jahren vor dem Bürgerkrieg in Sri Lanka flohen. Ist für sie, deren Eltern bereits mit Berndeutsch aufgewachsen sind, Sri Lanka und die tamilische Kultur überhaupt noch Heimat?

Sinnadurai denkt kurz nach, bevor er erläutert: «Die meisten haben ihre Grosseltern hier. Doch der Bezug zur Heimat ist immer noch da, sei es durch Urgrosseltern oder andere Verwandte oder durch Ferien in Sri Lanka.» Zudem, fügt er an, sei die tamilische Diaspora auf der halben Welt verteilt. Ein Onkel wohne vielleicht in Norwegen, Freunde der Familie in Frankreich. «Dadurch, dass den Kindern die tamilische Sprache und Kultur erhalten bleibt, können auch diese Beziehungen besser gepflegt werden.» 

Ergänzung zur Volksschule

Die meisten Kantone, so auch Bern, unterstützen den «Unterricht in heimatlicher Sprache und Kultur HSK», wie er offiziell heisst. Die Bildungs- und Kulturdirektion schreibt im HSK-Leitfaden: «Der Unterricht in der Erstsprache stützt mehrsprachig aufwachsende Kinder in ihrer Sprach- und Identitätsentwicklung.» Aktuell werden im Kanton Bern mehr als 300 Kurse in knapp 40 Gemeinden durchgeführt. Organisiert und finanziert wird der Unterricht von den Botschaften der Herkunftsländer oder von privaten Trägerschaften.

Die tamilischen Schulen in der Schweiz werden ausschliesslich ehrenamtlich geführt und unter anderem durch die Tamil Education Service Switzerland (TESS) unterstützt. In der Gemeinde Köniz gibt es Albanisch- und Italienischkurse sowie zwei Tamilische Schulen; im OSZ Köniz und im Gymnasium Lerbermatt.  

Alte Heimat, neue Heimat

«Schweizweit besuchen rund 5000 Schulkinder eine tamilische Schule, in der Region Bern sind es 500, davon 70 in Köniz», schildert Lucksmanan Sinnadurai die Grösse der hiesigen Klassen. Sie haben sich an diesem sonnigen Spätherbsttag in der Aula eingefunden, dazu kommen zahlreiche Ehemalige. Alte und neue Heimat, berndeutsche Jugendsprache und traditionelle tamilische Elemente verschmelzen wie selbstverständlich. Nach einer feierlichen Begrüssungszeremonie folgen Lieder, Tänze, und mit einem Theaterstück ein Höhepunkt des Nachmittags. «Es zeigt typische Konfliktsituationen im Alltag der älteren und jüngeren Generation», erklärt Sinnadurai. Nach den auch nachdenklich machenden Szenen bringt eine Fotoshow der letzten 25 Jahre Heiterkeit in den Saal.

Alle Lehrerinnen (Lehrer gab es in Köniz bisher nur vereinzelte) werden geehrt, alle Schulabgängerinnen und Schulabgänger erhalten eine Medaille als Andenken. Eine junge Frau bedankt sich im Namen der zweiten Generation für das jahrelange und unermüdliche Engagement der geflüchteten Eltern, damit ihre Kinder trotz Flucht aus der Heimat die Muttersprache sowie die Kultur nicht vergessen. Sie sei froh, könne sie Tamil lesen und schreiben. Dadurch könne sie nun übersetzen und die tamilsprachigen Angehörigen im Alltag unterstützen.

Zum Ausklang des Festes wartet ein grosses Buffet. Für einen Moment wähnt man sich inmitten der Gerüche, der Klänge, der Sareea und Vettis (Traditionelle Kleider der Frauen und Männer) in ein anderes Land versetzt. Und merkt dann ob der strahlenden Augen von Jung und Alt: Eine Kultur hat hier, in der Ferne, eine neue Heimat gefunden.

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